Die SPD-Fraktion erhöht den Druck auf Kanzler Olaf Scholz, will in einer Sondersitzung endlich Details zum Haushalt 2025 hören. Ein riskantes Manöver.
Was für eine Woche, dabei ist es erst Mittwoch. In diesen Tagen rauscht Olaf Scholz nur so von Termin zu Termin. Der wohl schwierigste steht nun auch fest: Freitag, 7 Uhr, Otto-Wels-Saal im Bundestag. Sondersitzung der SPD-Fraktion.
Es wird einen kleinen Imbiss geben, wie es in der Einladung heißt, die am Vormittag per E-Mail an die 207 SPD-Abgeordneten verschickt wurde. Vor allem aber gibt es viel zu besprechen.
Der Kanzler soll die politischen Leitplanken für den Haushalt 2025 skizzieren, seinen Genossen darlegen, wohin die Reise geht. So lautet die Ansage von Rolf Mützenich, dem Fraktionschef. Er hat Scholz schon vergangene Woche in die Pflicht genommen, wenigstens die Eckpfeiler des Etats zu skizzieren, wenn schon der Termin für das Gesamtkonstrukt gerissen wird.
Seitdem hat der Druck auf Scholz nicht nachgelassen. Im Gegenteil.
Die Genossen verlieren die Geduld, verlangen Antworten. Ihre Forderungen an den Haushalt sind enorm, so auch an den Kanzler. Kann sich Scholz aus dem Schwitzkasten befreien? Oder markiert dieser Freitag womöglich den schleichenden Anfang vom Ampel-Ende?
SPD erhöht den Druck
Dienstagmittag, 14.58 Uhr. Der Kanzler ist da. Die Sitzung der SPD-Fraktion hat längst begonnen, doch Scholz ist erst vor einer knappen Stunde aus Warschau zurückgekehrt. Deutsch-polnische Regierungskonsultationen. Ein straffes Programm, aber deshalb die Sitzung schwänzen? Kein gutes Signal, nicht in dieser Situation.
Die SPD-Fraktion verlangt Orientierung vom Kanzler, bestenfalls die Zusage, dass rigorose Kürzungen vom Tisch sind, vor allem im Sozialbereich. Also: Wie geht’s weiter?
Sollte Scholz nur von einem Zwischenstand der Beratungen berichten, sagt Fraktionschef Mützenich vor dem Treffen, dann sei das eben so. Soll heißen: Aus der Pflicht ist der Kanzler damit nicht. Mützenich berichtet, er habe gegenüber der Bundesregierung sehr deutlich gemacht: „Ich werde nicht den Haushaltsgesetzgeber – jedenfalls meine Fraktion – ohne Kenntnis über die Schwerpunkte (des Haushalts) und die Nutzung des Instruments in die Sommerpause gehen lassen.“
Moment: Nutzung des Instruments? Nicht in die Sommerpause gehen lassen?
Gemeint ist offenkundig die Erklärung einer Notlage, also ein erneutes Aussetzen der Schuldenregeln. Bislang ein No-Go für den liberalen Koalitionspartner. Aus Sicht der SPD aber notwendig, um die Kosten der Ukraine-Hilfen schultern zu können, ohne dabei Abstriche bei Investitionen auf nationaler Ebene machen zu müssen.
Es ist der Knackpunkt im Etat 2025, der eine milliardenschwere Lücke aufweist. Lässt sich das fehlende Geld überhaupt zusammensparen? Oder braucht es neue Kredite? Darum geht’s. Und Mützenich will noch vor der Sommerpause – also in dieser Woche – vom Kanzler wissen, was Sache ist.
„Zurzeit glauben wir, dass die Lücke nur so geschlossen werden kann“, sagt Mützenich zu neuen Schulden. Zumal die SPD-Fraktion auch noch „Bewegungsspielraum“ beim Haushalt haben wolle, also nicht nur Erfüllungsgehilfe bei der Umsetzung des Regierungsentwurfs sein möchte. Diesen will das Kabinett im Juli beschließen und dann ans Parlament weiterleiten. Stand: jetzt.
Wenn der Bundeskanzler zu anderen Kenntnissen komme, schiebt Mützenich hinterher, „wird es meiner Fraktion überlassen sein, diese Kenntnisse aus ihrer Sicht zu bewerten“. Klare Ansage an den Kanzler. Wieder einmal. In aller Öffentlichkeit.
Doch auch hinter verschlossenen Türen soll Mützenich klar gemacht haben, was die Fraktion erwartet. Und dass alles möglich sei: Eine Einigung beim Haushalt – oder auch nicht.
Doch der Kanzler lässt sich nicht in die Karten schauen. Auch am Dienstagabend, beim nächsten Pflichttermin, bekommen die Genossen keine politischen Leitplanken präsentiert. Nur so viel: Nichts dürfe gegeneinander ausgespielt werden. Der Kanzler spricht beim Sommerfest der „Parlamentarischen Linken“ so leise, dass die Lautstärke seines Mikrofons hochgeregelt wird.
Dabei hatte nicht nur die „PL“ mächtig Lärm um den Etat gemacht. In einer gemeinsamen Erklärung hielten alle drei Strömungen der SPD-Fraktion ihre Leitlinien fest: Keine Kürzungen beim Sozialen. Eine Notlage zum Aussetzen der Schuldenbremse. Mehr Investitionen in die innere und äußere Sicherheit. Das kollektive Statement war ein bislang einmaliger Vorgang – der einen Kompromiss in den Ampel-Verhandlungen zusätzlich erschweren dürfte.
Nicht nur Olaf Scholz stünde dann als Verlierer da
Ist das Manöver also wirklich klug? Was würde die SPD-Fraktion eigentlich machen, wenn keine Ausnahme von der Schuldenbremse käme? Die Genossen haben sich rhetorisch derart aufgeplustert, dass es zwangsläufig einer Blamage gleichkäme, wenn sich die Kanzlerpartei hier nicht durchsetzen würde. Nicht nur Scholz stünde dann als Verlierer da.
Die FDP lässt derzeit nicht erkennen, dass sie von ihrer roten Linie abrückt. Neue Schulden sind mit ihr nicht zu machen. Und die Grünen haben sich – vielleicht in weiser Voraussicht – weitgehend zurückgehalten mit Forderungen zum Haushalt. Für eine Einigung in den schwierigen Verhandlungen helfe es nicht, öffentlich rote Linien zu ziehen, hieß es. Einen „Sparhaushalt“ dürfe es jedoch auch nicht geben, an Investitionen führe kein Weg vorbei.
Wie soll das alles zusammenpassen?
Der Kanzler gibt sich, na klar, zuversichtlich. Die Regierung befinde sich „auf den letzten Metern“ bei den Haushaltsverhandlungen, sagt er am Mittwochmittag bei der Regierungsbefragung im Bundestag. Auch einen „Wachstumsturbo“ und „sehr viele sehr kluge Maßnahmen“ kündigt er an.
Das klingt alles noch recht vage, und manch ein Genosse meldet Zweifel an, ob der Kanzler bei der SPD-Sondersitzung am Freitag allzu tief ins Detail gehen wird. Einerseits ist der Regierungsentwurf noch nicht beschlossen, andererseits könnte eine Einigung „auf den letzten Metern“ (Scholz) auch noch scheitern, sollten die Genossen schon im Vorfeld auf die Barrikaden gehen.
Immerhin: Am Mittwochabend hat der Kanzler Gelegenheit, seine Genossen zu beruhigen. Beim Hoffest der SPD-Fraktion, das traditionell kurz vor den Sommerferien stattfindet. Noch ein Pflichttermin.
Möglich, dass er da mit einem flauen Gefühl im Magen hingegangen ist. Letztes Jahr ereilte ihn dort die Nachricht, dass das Bundesverfassungsgericht das parlamentarische Verfahren zum Heizungsgesetz gestoppt hatte – eine Blamage für die Regierung und ein Stimmungstöter für die Sommerpause.