Baustelle, Nachwuchsmangel und Rekordbelastung bei den Staatsschutzsenaten in Frankfurt: Insbesondere ein Prozess sei ein Kraftakt, sagt der Gerichtspräsident Alexander Seitz.
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt blickt nach eigenen Angaben auf ein „bewegtes und ungewöhnliches Jahr“ zurück – und wagt eine Prognose für das laufende Jahr. „Wir haben 2023 viele große Projekte und Themen angeschoben – neben dem eigentlichen Kerngeschäft“, sagte OLG-Präsident Alexander Seitz während einer Bilanzpressekonferenz.
Allen voran der Umbau des Justizbezirks in der Frankfurter Innenstadt sei ein wichtiges Thema. „Seit Januar 2024 sind fünf Verwaltungsabteilungen des OLG mit insgesamt 74 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ein Bürogebäude in Niederrad umgezogen“, erläuterte Vizepräsidentin Ruth Römer. Ein Gebäude des OLG soll dann ab dem 8. Juli abgerissen werden. Es werde mit etwa 30 Lkw-Ladungen Schutt pro Tag gerechnet. Bis 2027 soll dann ein neues Gebäude mit 2.500 Quadratmetern Nutzfläche entstehen.
Jahrelange Mega-Baustelle
Die Modernisierung des größten hessischen Justizstandorts in Frankfurt wird rund 12 Jahre dauern und insgesamt mehrere Hundert Millionen Euro kosten. Im Justizbezirk an der Konstablerwache sollen in den kommenden Jahren zwei Neubauten entstehen sowie weitgehend alle Gebäude saniert und modernisiert werden. Dabei sind nicht nur das OLG, sondern auch das Amts- und Landesgericht sowie die Staatsanwaltschaft betroffen.
Auch der Fachkräftemangel beschäftige das OLG. Bei Richterstellen stehe man gut dar, sagte Seitz. Im „nicht-richterlichen Bereich müssen wir in den kommenden Jahren nachlegen“. Vizepräsidentin Römer erklärte, dass sich die Bewerberlage deutlich verschlechtert habe. Man sei ständig auf der Suche nach jungen Menschen, die sich für die Justiz interessieren. „Das fängt im Grunde schon in der Schule an, wir arbeiten auch mit Schülerzeitungen zusammen.“ Das OLG mache zudem Werbung auf verschiedensten Social-Media-Plattformen. Das Ganze sei auch eine Vorbereitungsmaßnahme für den Wegfall der Babyboomer in den kommenden Jahren.
Terrorprozesse schlucken Ressourcen
Die beiden Staatsschutzsenate des OLG sind laut Seitz stark ausgelastet – und die Tendenz steigt. Die Belastung der beiden Staatsschutzsenate liege erneut auf einem Rekordhoch, erläuterte er. Beide Senate führten im Jahr 2023 demnach 164 Tage Hauptverhandlungen durch. In den Vorjahren lag diese Zahl bei 130 beziehungsweise 95 Sitzungstagen. Und die Belastung bleibe hoch: Im ersten Halbjahr 2024 gab es 54 Verhandlungstage.
Auch der Prozess um die mutmaßliche „Reichsbürger“-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß spiele eine große Rolle für das Gericht. Seitz verwies auf die großen Verwaltungsaufgaben, die im vergangenen Jahr auf das Gericht im Zuge des Prozesses zukamen: darunter die neu gebaute Leichtbauhalle im Stadtteil Sossenheim und rund 400.000 Aktenseiten.
Das Verfahren in Sossenheim sei auch aktuell ein „Riesen-Kraftakt“, sagte er. Allein 40 bis 45 Wachtmeister aus ganz Hessen seien an jedem Verhandlungstag im Einsatz. Bisher gab es 12 Verhandlungstage – der Prozess ist bisher bis Mitte Januar 2025 angesetzt. Und es würden nicht weniger solcher Verfahren werden: „Die Tendenz geht eher dahin, dass es mehr wird in diesem Bereich“, sagte Seitz.
Verfahrensmenge auf konstant hohem Niveau
Im Kerngeschäft stehe das OLG gut da und bewege sich auf einem ähnlich hohen Niveau wie in den Vorjahren. Das Gros stellten nach wie vor Zivilverfahren dar, diese gingen allerdings von 5.648 auf 5.436 Verfahren zurück im vergangenen Jahr. „2024 dürfte der Wert annähernd stabil bleiben“, hieß es. Im strafrechtlichen Bereich stieg die Zahl dagegen leicht von 262 auf 269 Verfahren – für 2024 lag die Prognose bei 300.
Auch die Familienverfahren waren mit 1.581 leicht rückläufig (2022:1.704) – Römer freute sich aber, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer erstmals seit mehr als zehn Jahren unter sechs Monaten lag. Zu Familiensachen zählen unter anderem Sorgerecht und Unterhaltsstreitigkeiten.
Massenverfahren wie etwa im Zusammenhang mit dem Dieselskandal gingen ebenfalls zurück. Dagegen gab es laut Seitz deutlich mehr Verfahren im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung.