US-Präsident Joe Biden hat die Entscheidung des obersten Gerichts der USA, Donald Trump eine Teil-Immunität zu gewähren, scharf kritisiert. Biden sprach am Montag (Ortszeit) von einem „gefährlichen Präzedenzfall“. Vier Monate vor der Präsidentschaftswahl hatte der Supreme Court zuvor geurteilt, dass bei Amtshandlungen der US-Präsidenten grundsätzlich ein Schutz gegen spätere Strafverfolgung bestehe, bei „inoffiziellen“ Handlungen hingegen nicht. Medienberichten zufolge bemüht sich Trump bereits darum, seine Verurteilung im Schweigegeldprozess aufheben zu lassen.
Aus praktischer Sicht bedeute die Entscheidung mit ziemlicher Sicherheit, „dass es keine Grenzen für das gibt, was ein Präsident tun kann“, sagte Biden in einer Rede im Weißen Haus. „Das ist ein grundlegend neues Prinzip und es ist ein gefährlicher Präzedenzfall.“ Die Befugnisse des Präsidenten würden nicht mehr durch das Gesetz eingeschränkt.
Der konservativ dominierte Supreme Court hatte den Fall am Montag zur weiteren Prüfung an ein untergeordnetes Bundesgericht zurückverwiesen. Konkret geht es um eine vergangenes Jahr gegen Trump erhobene Anklage wegen seiner Versuche, seine Wahlniederlage von 2020 gegen Biden nachträglich zu kippen. Das untergeordnete Gericht muss nun prüfen, inwieweit sich die Anklage auf „offizielle“ oder „inoffizielle“ Handlungen bezieht.
Der Immunitätsbeschluss wurde von dem Gericht mit den Stimmen seiner sechs konservativen gegen die Stimmen der drei linksliberalen Richter gefällt. Für die klare konservative Mehrheit an dem mächtigen Gericht hatte Trump selbst gesorgt, indem er während seiner Amtszeit drei weltanschaulich konservative Richter an den Supreme Court berufen hatte.
In der vor dem Bundesgericht in Washington anhängigen Klage gegen Trump geht es unter anderem um seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021. Der Sonderermittler Jack White, der die Anklage gegen den US-Präsidenten erwirkt hatte, hatte schon vor der Supreme-Court-Entscheidung die Ansicht vertreten, dass zumindest ein Teil der Anklage „private“ und nicht offizielle Handlungen betreffe.
Trump bewertete die Supreme-Court-Entscheidung in seinem Online-Netzwerk Truth Social als „großen Sieg für die Verfassung und Demokratie“. Sie bringt ihm einen wichtigen weiteren Zeitgewinn: Sie bedeutet, dass der Prozess vor einem Bundesgericht in Washington zu seinen versuchten Wahlmanipulationen nicht vor der Wahl am 5. November beginnen wird.
Bei der Wahl will der Republikaner Trump erneut gegen den Demokraten Biden antreten. Ursprünglich hatte der Prozess bereits Anfang März starten sollen, er wurde jedoch wegen der ungeklärten Immunitätsfrage ausgesetzt.
Trump spielt in allen seinen juristischen Auseinandersetzungen auf Zeit. Bei einem Wahlsieg würde er dann voraussichtlich die Bundesjustiz anweisen, die gegen ihn erhobenen Anklagen fallenzulassen. Dies beträfe neben der Anklage zu seinen Wahlinterventionen vor dem Washingtoner Bundesgericht einen weiteren Fall vor einem Bundesgericht im Bundesstaat Florida, in dem es um seine Mitnahme geheimer Regierungsdokumente in sein Privatanwesen geht.
Gegen den 78-jährigen Ex-Präsidenten wurden insgesamt vier strafrechtliche Anklagen erhoben. Wegen seiner Wahlinterventionen wurde er auch von der Justiz des Bundesstaats Georgia verklagt. Bei den Anklagen in Georgia sowie zur Dokumentenaffäre ist ebenfalls völlig unklar, wann die Prozesse beginnen könnten.
Hingegen gab es im New Yorker Prozess gegen Trump zu einer Schweigegeldzahlung an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels bereits Ende Mai einen Schuldspruch. Die Geschworenen befanden Trump in allen 34 Anklagepunkten der Fälschung von Geschäftsdokumenten zur Vertuschung des Schweigegelds schuldig – er ist damit der erste strafrechtlich verurteilte Ex-US-Präsident der Geschichte. Das Strafmaß für Trump will der New Yorker Richter am 11. Juli verkünden.
Mehrere US-Medien berichteten nun, Trumps Anwälte hätten ein Schreiben an den zuständigen Richter geschickt, um die Verurteilung aufheben zu lassen und die Verkündung des Strafmaßes angesichts der Supreme-Court-Entscheidung zu verschieben.