Menschliche Überreste aus damaligen deutschen Kolonien in Afrika lagern in einem Straßburger Anatomieinstitut. Nun schlägt die elsässische Universität ein neues Kapitel auf.
Schädel und andere menschliche Überreste aus den früheren Kolonien Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika werden seit über einem Jahrhundert im elsässischen Straßburg aufbewahrt. Nun bereitet sich die örtliche Universität darauf vor, die Objekte aus einem Anatomieinstitut an Tansania und Namibia zu übertragen. Eine Restitution ist allerdings bisher rechtlich nicht möglich, da keine offiziellen staatlichen Anfragen an Frankreich gingen, wie die Universität mitteilte.
Die Überreste waren den Angaben zufolge an die Hochschule gekommen, als Straßburg im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zum damaligen Deutschen Reich gehörte. Elsass-Lothringen war 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg annektiert worden. Die Hochschule der Elsass-Metropole hieß damals „Kaiser-Wilhelms-Universität“.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten nach einjähriger Arbeit fest, dass in dem Institut fernab von Besuchern Überreste von 34 Menschen aufbewahrt werden. Darunter sind laut Hochschule über 30 Schädel und ein Skelett. Die Überreste aus dem heutigen Tansania seien von einem Sanitätsoffizier im damaligen Deutsch-Ostafrika gesammelt worden. Aus dem damaligen Deutsch-Südwestafrika stammen demnach zwei Objekte.
In Deutsch-Ostafrika war Kolonialherrschaft von Unterdrückung, Ausbeutung und Gräueltaten geprägt. Im sogenannten Maji-Maji-Krieg wurden zwischen 1905 und 1907 nach tansanischen Schätzungen bis zu 300 000 Menschen getötet. Das Deutsche Reich schlug im damaligen Deutsch-Südwestafrika Aufstände gegen seine Herrschaft brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs (1904-1908) kam es zu einem Massenmord, der als erster Genozid im 20. Jahrhundert gilt. Historiker schätzen, dass 65 000 von 80 000 Herero und mindestens 10 000 von 20 000 Nama getötet wurden. Die Straßburger Objekte aus dem damaligen Deutsch-Südwestafrika hängen nach Einschätzung der Uni nicht mit dem Genozid zusammen.
„Mit der Überprüfung wurde eine erste wichtige Etappe erreicht“, zitierte die Hochschule ihren Vizepräsidenten für Kultur und Gesellschaftsbeziehungen, Mathieu Schneider. Die Universität wolle würdig und ethisch mit den menschlichen Überresten umgehen, die in ihrem Besitz seien. Anfragen für eine Restitution gibt es demnach von einer Gebietskörperschaft in Tansania und der einer Stiftung in Namibia.
In deutschen Museen und Universitäten lagern etwa 17 000 menschliche Überreste aus kolonialen Zusammenhängen. Diese Zahl hatte die Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland genannt. Die genaue Anzahl könne auch noch über den angegebenen Schätzungen liegen, hatte die Einrichtung im Dezember mitgeteilt.
Basis war die Befragung von 33 Einrichtungen mit relevanten Beständen menschlicher Überreste in anthropologischen, anatomischen, medizinhistorischen, ethnologischen oder paläontologischen Sammlungen. Die Überreste stammen von allen Kontinenten.