Jude Bellingham hat bis heute eine beeindruckende Karriere hingelegt. Doch aus seinem großen Ego wird zunehmend Größenwahn. Er ist auf dem Weg, ein neuer Cristiano Ronaldo zu werden – im schlechtesten Sinne.
Als ich zum ersten Mal davon hörte, dass Jude Bellingham zu Borussia Dortmund wechseln würde, nahm ich das mit einem wohlwollenden Achselzucken zu Kenntnis. Schon damals, 2020, überschlug sich die englische Boulevardpresse mit Lobeshymnen über dieses Talent aus Birmingham. „Wunderkind“ hieß es schon damals. „Abwarten“, dachte ich. Ein 17-Jähriger für das zentrale Mittelfeld – relativ schmächtig, unerfahren, in einem neuen Land mit anderer Kultur. Er wäre nicht der Erste, der an der Bundesliga scheitert.
Doch scheitern schien in Bellinghams Vokabular nicht vorzukommen. Da stand dieser blutjunge Spieler Woche um Woche in der Startelf und wurde von Spiel zu Spiel immer besser. Der Brite erinnerte an einen jungen Cesc Fabregas, ein Phantom, das überall auf dem Platz zu finden war, immer richtig stand, sich für keinen Zweikampf zu schade war. Technisch brillant, aber ohne überhebliche Übersteiger und Hacke-Spitze-Spielereien.
Doch die ursprüngliche Bescheidenheit seines Spiels, die ihn so beliebt machte, verflog schnell – auch schon vor seinem Wechsel zu Real Madrid. Seine Auftritte wirkten früh, als würde er lieber ganz ohne seine Teamkollegen spielen – all eyes on him. Die breite Brust, geschwollen von Arroganz.
Dieses Silberrücken-Gehabe wurde in Dortmund noch als Mentalität verkauft. Bei Ausnahmespielern müsse man eben über das ein oder andere hinweg sehen. Dass Bellingham schon damals auf dem Platz seine Teamkollegen zusammenstauchte, wenn sie einen Pass nicht perfekt in seinen Fuß spielten, wurde schnell vergessen. Zu gut waren seine Leistungen. Doch bei dieser EM wird deutlich, dass von Bellinghams Teamplayer-Qualitäten nicht mehr viel übrig bleibt, wenn es so gar nicht läuft. Im Dress der Three Lions geht er völlig unter, hat keinen Zugriff aufs Spiel, wenige Ballaktionen, ist in keinster Weise Vorbild für die Mannschaft.
Jude Bellingham sieht sich offenbar auf einer Stufe mit einem US-Präsidenten und Alexander dem Großen
Doch das scheint ihn und seine Fans auch gar nicht zu interessieren. Ein Fallrückzieher gegen die Slowakei in der Nachspielzeit. Dieser Treffer, zugegeben ein Geniestreich, macht 95 Minuten unterirdische Leistung vergessen. Der Jubel danach: pure Selbstinszenierung. Bellingham gefällt sich in der Rolle des „Goat“ (Greatest of all Time), des Messias, des englischen Fußball-Königs. Wer auf dem Thron sitzt, hat allen Grund, auf alle anderen herabzublicken.
Seinen Treffer feierte er mit einem Instagram-Post, in dem er eine Rede des ehemalige US-Präsidenten Theodore Roosevelt und einen Ausruf Alexander des Großen zitierte.
Der Liebling der Tiktok-Generation
Der 21-Jährige – so wirkt es – spielt mittlerweile nicht mehr für seine Mannschaft, sondern für 15-Sekunden-Tiktok-Videos. Eine Szene pro Spiel reicht. Ein Tor, der Jubel mit ausgebreiteten Armen vor der Tribüne, Hunderttausende Likes. Bellingham ist auf besten Wege, der neue Cristiano Ronaldo werden – im schlechtesten Sinne. Auch CR7 verteidigen seine Fans bis aufs Blut. Wer der Beste der Welt ist, kann es sich auch leisten, arrogant zu sein – ekelhaftes „Alphamale“-Getue. Spielbericht Achtelfinale ENG SVK
Jude Bellingham hat noch mindestens zwölf Jahre seiner Karriere vor sich. Doch schon jetzt benimmt er sich, als wäre er der beste Spieler, der je Rasen betreten hat. Aus einem Teamplayer ist ein Alleinunterhalter geworden. Aus einem sympathischen (Zwei)Kampf- ein arrogantes Trüffelschwein. Ein Spieler mit großen Ego ist dem Größenwahn verfallen.
Bellingham bearbeitet das Haus seiner Karriere gerade mit einer Abrissbirne der Arroganz. Man würde ihn am liebsten aus dem Führerhaus zerren und ihn bitten, das alles nicht kaputt zu machen.
Hey Jude, don’t make it bad!