Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla gehen innerparteilich gestärkt in die bevorstehenden Wahlkämpfe: Der AfD-Bundesparteitag in Essen bestätigte das Spitzen-Duo am Samstag mit klaren Mehrheiten im Amt – Chrupalla erhielt 82,7 Prozent, Weidel 79,8 Prozent, beide traten ohne Gegenkandidaten an. Damit kann die Doppelspitze die AfD zwei weitere Jahre führen. Ein Antrag auf Einführung einer Einzelspitze fiel bei den Delegierten durch. Rund um die Tagungshalle versammelten sich mehrere zehntausend Demonstranten zu Gegenprotesten.
Chrupalla und Weidel werteten die Ergebnisse als Beleg für eine innerparteiliche Konsolidierung. Die vor zwei Jahren gewählte Doppelspitze habe die zuvor zerstrittene Partei „befriedet“, sagte Chrupalla. Geschlossenheit sei Voraussetzung für Erfolge bei den kommenden Wahlen. Weidel sagte, die AfD habe sich „professionalisiert“.
Beim Parteitag im sächsischen Riesa 2022 war Chrupalla mit nur 53 Prozent zum Vorsitzenden gewählt worden, Weidel mit 67 Prozent. In Essen zeigte sich Chrupalla „überwältigt“ von seinem guten Abschneiden – vor dem Parteitag hatte es Spekulationen gegeben, die Delegierten könnten ihn bei der Wiederwahl durchfallen lassen. Mit Blick darauf wertete Weidel das Ergebnis für ihren Ko-Vorsitzenden als „Ausdruck eines Solidarisierungseffekts“: „Es wurde eine Kampagne gegen ihn gefahren – jetzt ist er gestärkt.“
Dass ihr eigenes Ergebnis nicht besser ausfiel, führte Weidel auch darauf zurück, „dass ich hier einige unangenehme Themen angeschnitten habe“ – etwa ihre Kritik an der schwachen Kommunikation der Partei. Weidel und Chrupalla zeigten sich einig, dass das Ergebnis in Essen keine Vorentscheidung über eine Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl darstelle.
Beide Vorsitzenden räumten in ihren Reden Defizite in Organisation und Erscheinungsbild der AfD ein. Chrupalla sagte, die Partei müsse sich mehr um die Qualität ihrer Wahlkandidaten kümmern. Mit Blick auf den Europawahlkampf mit dem von Skandalen begleiteten Spitzenkandidaten Maximilian Krah sagte er: „Durch unvorsichtiges und unprofessionelles Verhalten haben manche auch unnötige Angriffsfläche geboten.“
Weidel attestierte der Partei Defizite bei der Kommunikation nach außen: „Wir erklären noch zu wenig“, sagte sie. Die AfD dürfe in der Öffentlichkeit nicht als „Nazis“ wahrgenommen werden. Chrupalla hob hervor, dass die AfD offen sei für die Mitarbeit auch von Menschen mit Migrationshintergrund.
Anders als bei früheren AfD-Parteitagen blieben Streitereien auf offener Bühne am ersten Tag des Delegiertentreffens in Essen aus. Zum Rechenschaftsbericht der Parteiführung gab es keine Wortmeldungen der Delegierten. Auch zum holprig verlaufenen Europawahlkampf und zur Personalie Krah gab es keine Debatten – möglicherweise hatte die Selbstkritik der Vorsitzenden diese Themen entschärft.
Das Spitzen-Duo gab sich betont harmonisch: Chrupalla titulierte seine Kollegin als „meine geliebte (…) Kosprecherin Alice“, Weidel sprach ihrerseits von „meinem geliebten Tino Chrupalla“. Im Amt der Vizeparteichefs wurden Stephan Brandner (knapp 91 Prozent) und Peter Boehringer (85,3 Prozent) bestätigt. Neu hinzu kam Kay Gottschalk, der sich in einer Kampfkandidatur mit 62 Prozent durchsetzte.
Chrupalla formulierte für seine Partei einen Anspruch auf Regierungsverantwortung. Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg solle für die AfD „die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen“, sagte er. „Wir wollen regieren – erst im Osten, dann im Westen, dann im Bund.“
Weidel bezeichnete es als eine der zentralen Aufgaben ihrer neuen Amtszeit, „diese unsäglichen Brandmauern abzureißen“, mit denen sich andere Parteien von der AfD abgrenzten. Sie räumte allerdings ein, dass eine Regierungsbeteiligung im Bund nach der Wahl 2025 „ziemlich unwahrscheinlich“ sei.
Begleitet wurde der AfD-Parteitag von einer lautstarken Kundgebung mit mehreren zehntausend Demonstranten. Am Mittag zogen nach Angaben der Veranstalter 50.000 Menschen zu der Kundgebung vor der Grugahalle. Diese Großkundgebung blieb nach Angaben der Polizei zunächst friedlich. Angaben zu Teilnehmerzahlen machte die Behörde zunächst nicht.
Zu Zusammenstößen war es zuvor am Morgen gekommen, als Demonstrierende versuchten, AfD-Delegierte am Betreten der Grugahalle zu hindern. Menschen hätten Einsatzkräfte angegriffen und versucht, Sperrstellen zu durchbrechen, teilte die Polizei mit. Die Polizei setzte unter anderem Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Elf Einsatzkräfte wurden den Angaben zufolge verletzt, mehrere Demonstranten festgenommen.
Parteichefin Weidel kritisierte die Protestaktionen als undemokratisch. „Wir haben ein Recht – wie alle anderen politischen Parteien auch -, einen ordentlichen Parteitag abzuhalten“, sagte sie.