Shorts im Büro? Davor schreckten viele Männer bislang zurück. Doch seit Hollywoods It-Boys Jacob Elordi und Timothée Chalamet sie auf dem roten Teppich tragen, sind sie angesagt wie nie. Ein Plädoyer für mehr Modemut.
Wie kurz ist zu kurz? Die Frage drängt sich in diesem Sommer auf, denn in der Männermode rutschen die Säume deutlich nach oben. Bei den Modenschauen in Paris und Mailand sah man so kurze Shorts, dass man dachte, den Designern seien die Stoffe ausgegangen. Bei Zegna trugen die Models bunte Bermudas, bei Thome Browne edle Anzugshorts, bei Gucci hatte Kreativchef Sabato De Sarno Hosen entworfen, die man durchaus als Hotpants bezeichnen konnte.
Welcher Mann soll das nur tragen? Sabato De Sarno schien auf diese Frage bestens vorbereitet zu sein, denn bevor sich die Männerwelt über seine Hosen echauffieren konnte, hatte er schon für einen Hype gesorgt. Dabei half ihm Paul Mescal, irischer Schauspieler und neues Markengesicht von Gucci, als er zur Show in Boxershorts-ähnlichen Hosen erschien, die nur die obere Hälfte seiner Oberschenkel bedeckten. „Ich bin ein großer Fan davon, dass Männer kürzere Shorts tragen“, sagte der 28-Jährige. Short Shorts: So heißen die neuen superknappen Hosen, die man bei Gucci auf dem Laufsteg sah. Allein 41 der 46 Models trugen sie auf dem Laufsteg.
© Gucci
Damit schien er nicht allein zu sein, denn statt einen Shitstorm zu kassieren, wurde sein Bild innerhalb von Sekunden millionenfach bei TikTok und Instagram geteilt – und „Short Shorts“, so der schmissige Name der kleinen Hosen, zum Trend. Ein Look, den jetzt auch andere Stars nachmachen und sich mit ihren durchtrainierten Beinen auf dem roten Teppich zeigen. So wie Chris Pine, der kürzlich zur Premiere seines Films „Poolman“ in kurzen, blauen Hosen erschien. Auch wurden Hollywoods It-Boys Jacob Elordi und Timothée Chalamet bereits in Shorts gesichtet, die sie lässig zum Anzug trugen. Wen wundert es da, dass Modemagazine den „Thigh Guy Summer“ hervorbeschwören, den Sommer der blanken Männer-Oberschenkel.
Männer in kurzen Hosen – tatsächlich kommt man an ihnen gerade nicht vorbei. Während der Fußballeuropameisterschaft flimmern sie fast täglich in bunten Buchsen über den Bildschirm. Sogar im Kino und bei Streamingdiensten tauchen sie auf. Filme wie „Saltburn“ und „Call Me By Your Name“ spielen mit der Nostalgie vergangener Jahrzehnte, die durch das Kostümdesign stark unterstützt wurden. Und was verkörpert das Gefühl von Unbeschwertheit und eines scheinbar nicht enden wollenden Sommers besser als die kurzen Hosen, die man einst als Teenager in den 70ern und 80ern trug.
Männershorts: Raus aus der Tabuzone!
Ob Männer, die seit Jahren brav mit langen Hosen ins Büro kommen, nun bald in gürtelbreiten Shorts dasitzen? Wohl kaum. Dennoch ist der Hype um die superkurzen Hosen ein idealer Moment, um das Männerbein endlich aus seiner Tabuzone zu heben. Denn Shorts galten bei Männern jahrelang als verpönt. Häufig auch, weil Stilwächter ihnen vorschrieben, sie bloß nicht im Büro, sondern höchstens zum Sport, Rasenmähen oder am Strand anzuziehen. Auch Tom Ford gehörte zu den Mahnern. „Shorts sind in der Stadt nicht angemessen“, sagte der Star-Designer, der zwar einst die Frauenmode von Gucci mit seiner Sex Sells-Methode neu belebte, sich bei Männerbeinen aber lieber zugeknöpft gab.
So kam es, dass viele Männer ihre Beine lieber unter dickem Stoff versteckten, als sich damit auf der Straße oder im Büro blicken zu lassen. Blitzte doch Haut hervor, wurde sofort über pelzig behaarte Beine gewitzelt, sogar über die „Fleischzone“ zwischen zu kurzen Hosen und Socken. Logisch, dass viele Männer bislang dachten: Die Buchse bleibt lang. Lieber schwitzen als schämen!
Schluss damit! In Zeiten, in denen sich die Mode von Männern und Frauen immer mehr angleicht, sollte man endlich mit biederen Regeln aufräumen. Immerhin kickt sogar die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mittlerweile im pinkfarbenen Auswärtstrikot. Eine Farbe, die für Männer lange als Tabu galt.
Nostalgie pur: Im Film “Call Me By Your Name“ tragen Amie Hammer (l.) und Timothée Chalamet Shorts, wie man sie früher als Teenager trug.
© Sony Pictures Classics Los Angeles
Unbestritten ist, dass auch Frauen liebend gerne sportliche Männer in kurzen Hosen anschauen. Manch einer wird dabei sicher auch kurz der Puls hochgehen, doch hat Freizügigkeit auf Männer selten die gleiche Wirkung wie auf Frauen. Zeigen sie Haut, wird es ihnen schnell als sexuelle Provokation ausgelegt. Bei Männern in kurzen Hosen denken viele dagegen eher an jemanden, der mit Geschlechtergrenzen aufräumen will.
So wie Paul Mescal. Mit seinem Auftritt bei den Männerschauen hat er dafür gesorgt, dass die Diskussion um kurze Männerhosen neu angestoßen wird. Natürlich muss niemand seinem Beispiel folgen und eine seiner heißen Fünf-Inch-Hosen tragen. So lautet nämlich die offizielle Größenangabe für Short Shorts, die vom Schritt bis zum Saum etwa 13 Zentimeter lang sind. Männer, die ihre Oberschenkel lieber etwas bedeckter halten, setzen am besten auf die gute alte Bermuda. Sie endet meist eine Handbreit über dem Knie.
Damit kann man nicht nur im Garten buddeln, sondern sich auch mal ins Büro wagen. Und sollte dort wider Erwarten jemand doof gucken, wissen modemutige Männer nun: Mit diesem Look sind sie eine Schrittlänge voraus!
