Die Schlappe bei der Europawahl hallt bei der Linken nach. Der Bundesvorsitzende Martin Schirdewan sagt: Es ist „scheiße gelaufen“ und es „kann kein Weiter-so geben“.
Nach der krachenden Niederlage bei der Europawahl erwägt Linken-Chef Martin Schirdewan offenbar einen Rückzug von der Parteispitze. „Ich werde rechtzeitig darüber informieren, ob ich noch einmal antrete“, sagte Schirdewan dem „Tagesspiegel“. Auf Nachfrage der Zeitung sagte er, er habe noch etwas vor. „Ich stürze mich mit aller Kraft in die Aufgaben, die bis zum Parteitag vor uns liegen.“
Bei dem Parteitag im Oktober wird der Bundesvorstand der Linken regulär neu gewählt. Schirdewan führt die Partei seit zwei Jahren gemeinsam mit Janine Wissler. Bei der Europawahl hatte die Linke nur noch 2,7 Prozent der Stimmen bekommen, etwa halb so viel wie vor fünf Jahren. Schirdewan war selbst Spitzenkandidat.
Nun sagte er der Zeitung: „Keine Frage: Es ist scheiße gelaufen. Da kann man nicht drumrum reden.“
Kritik von Lötzsch und Trabert
Vor einigen Tagen hatte die langjährige Abgeordnete Gesine Lötzsch ihren Rückzug nach der nächsten Bundestagswahl angekündigt und dabei scharfe Kritik an der Parteispitze geübt. Die kam auch vom Sozialmediziner Gerhard Trabert, der für die Linke ins Europaparlament wollte. Wegen des geringen Stimmenanteils der Partei erhielt er kein Mandat.
Schirdewan sagte, die Linke wolle zunächst intern eine Auswertung des Wahlkampfs vornehmen. „Aber klar ist, dass Konsequenzen gezogen werden müssen. Es kann kein Weiter-so geben.“ Der Parteichef hatte schon am Wahlabend am 9. Juni gesagt, die Partei werde vor der Bundestagswahl 2025 strukturell und programmatisch nacharbeiten und sich „auch personell für die Zukunft aufstellen“.
Wissler will selbstkritische Debatte
Auch seine Co-Chefin Wissler ließ zuletzt auf Nachfrage offen, ob sie persönliche Konsequenzen aus der Wahlniederlage ziehen und auf eine erneute Kandidatur verzichten will. „Natürlich hören wir die Kritik“, sagte Wissler Anfang der Woche. „Und natürlich nehmen wir das ernst.“
Wenn man ein solches Wahlergebnis habe, müsse man selbstkritisch fragen, was im Wahlkampf schiefgelaufen sei. „Eine solche Debatte brauchen wir in der Partei. Aber ich sage auch, wir brauchen die innerhalb der Partei.“ Vorher wolle sie sich zur „inhaltlichen, strategischen und personellen Aufstellung“ nicht äußern. Der Parteivorstand tagt am Wochenende vom 6. und 7. Juli.
Einige Genossinnen und Genossen äußern die klare Erwartung, dass die Parteispitze abtritt – allerdings nicht in der Öffentlichkeit. Prominente Nachfolgerinnen oder Nachfolger sind nicht in Sicht. Genannt werden Namen aus der zweiten Reihe, die bundesweit kaum bekannt sind.
BSW läuft der Linken den Rang ab
Die Linke hatte im Oktober mit Sahra Wagenknecht eine ihrer bekanntesten Politikerinnen verloren. Sie gründete das Bündnis Sahra Wagenknecht und erzielte bei der Europawahl aus dem Stand 6,2 Prozent.
Noch günstiger sehen die Umfragen für das BSW vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September aus. Nach jetzigem Stand kann die Wagenknecht-Partei dort auf zweistellige Ergebnisse und eine mögliche Regierungsbeteiligung hoffen.
Die Linke muss hingegen weitere Rückschläge fürchten. In Thüringen erreichte sie 2019 noch 31 Prozent und stellt den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Dort haben sich ihre Werte in Umfragen mehr als halbiert. In Sachsen rangiert die Linke in Umfragen knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde, in Brandenburg knapp darüber. 2025 will die Linke wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag, doch liegt sie auch bundesweit unter fünf Prozent.