Knappe Outfits, harte Arbeit, wenig Lohn: Eine Netflix-Doku begleitet die Cheerleader der Dallas Cowboys. Warum die Netflix-Doku begeistert – aber auch wütend macht.
Wer es ins Team der Dallas Cowboy Cheerleader schafft, für den geht ein Traum in Erfüllung: Jedes Jahr tanzen hunderte junge Frauen vor, um einen der 36 begehrten Plätze zu ergattern. Die DCC gelten als die Besten der Branche, ihre knappen Outfits sind berüchtigt, die Choreografien legendär. Wieviel harte Arbeit und sportliche Höchstleistung hinter dem Erfolg steht, das beleuchtet gerade eine Netflix-Dokuserie. Und das äußerst mitreißend.
Berühmt sind die DCC vor allem für ihren Eröffnungstanz zu AC/DCs „Thunderstruck“. Allein die Bilder dazu lassen beim Zuschauen Gänsehaut aufkommen, so beeindruckend ist das synchron aufgeführte Tanzspektakel der Cheerleader. Am Ende der rasanten „Thunderstruck“-Choreographie kommt das, was DCC-Chefin Kelli Finglass das „Ausrufezeichen der Performance“ nennt: Die Frauen springen in einer Reihe in die Luft und landen lächelnd im Spagat.
„Ich weiß nicht, wer sich den Sprungspagat ausgedacht hat, aber er ist nicht einfach. Das ist es, was einem wohl die Hüften lädiert“, sagt Caroline über den schmerzhaften Stunt. Die ehemalige Dallas-Cowboys-Cheerleaderin hat mit Ende 20 bereits eine Hüft-OP und mehrere kleinere orthopädische Eingriffe hinter sich. Andere berichten von kaputten Nacken und ernsthaften Rückenproblemen. „Aber es ist unterhaltsam, die Leute lieben den Sprung ins Spagat! Wir können den nicht weglassen“, sagt Caroline entschieden.
Zu klein, zu dürr, zu schlecht drauf: Die Urteile sind hart
Es ist diese fast schon blinde Liebe zum Job und die absolute Disziplin, die die Serie so faszinierend machen. „Dallas Cowboys Cheerleader: Ein amerikanischer Traum“ stammt von Dokumentarfilmer Greg Whiteley, der für seine Arbeit bereits mit einem Emmy ausgezeichnet wurde. Er begleitete das Team ein Jahr lang vom ersten Auswahl-Prozess bis zum letzten Auftritt und ihm gelingt es, die Geschichte hinter der Glamour-Fassade einzufangen.
Aus feministischer Perspektive ist es schwer mit anzusehen, wie sehr die Sportlerinnen objektifiziert werden. Finglass und Chef-Choreografin Judy Trammell lassen Sätze fallen, wie sie höchstens Heidi Klum vor zehn Jahren in den Mund nahm. „Ist das Bronzer oder gehört das zum Gesicht?“, begutachten sie eine der neuen Anwärterinnen kritisch. „Sie braucht dringend ein Make-Over,“ lautet das vernichtende Fazit. Zu klein, zu dürr, zu schlecht drauf – die Urteile fallen hart und oft schwer nachvollziehbar aus.
Besonders bitter wird es, als Finglass und Trammell gleich zu Beginn zwei der wenigen Frauen mit dunklerer Hautfarbe aussortieren. Lag der Rauswurf jetzt wirklich am tänzerischen Können oder passte ihnen die Optik nicht? Die Grenzen sind schwimmend. Doch die Doku urteilt nicht, und die Frauen zweifeln nie am Urteil. Und so bekommen wir lediglich ein kurzes Gespräch der Betroffenen mit, die der letzten Verbliebenen die Daumen drücken: Sie solle durchhalten – „für uns Brownies!“. Später wird auch sie es nicht in das Team schaffen.
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Andere dunkle Seiten des Sports werden deutlicher beleuchtet: So berichtet etwa Cheerleaderin Victoria über den psychischen Druck, der auf ihr lastet und von der Essstörung, die sie durch die ständige Bewertung ihres Körpers entwickelte. Im Team gerät sie dadurch zur Außenseiterin. Dabei wird immer wieder von allen Beteiligten beschworen, wie besonders und einzigartig der Zusammenhalt der Cheerleaderinnen sei. Auch Team-Leaderin Kelcey macht ihre negativen Erfahrungen lieber mit sich und ihrem Freund zuhause aus: Sie hatte einen Stalker, der sie per Airtag am Auto bis nach Hause verfolgte und bei ihr für Panikattacken sorgte.
Doch nach außen gilt für eine DCC immer: lächeln, lächeln, lächeln. „Unser Job ist es, die Leute glücklich zu machen. Egal, wie wir uns fühlen“, sagt Caroline. Immerhin: Als eine der jüngsten Cheerleaderinnen auf dem Spielfeld von einem Fotografen begrabscht wird, holt sie die Polizei. Doch wie so oft läuft die Anzeige ins Leere. Es ist einer der bewegendsten Momente der Doku, als sie unter Tränen vom Vorfall erzählt und bei ihrem Kolleginnen Halt und Zuspruch findet.
Die Netflix-Doku erwähnt auch die schlechte Bezahlung der Cheerleader
PAID Montagskino VS Netflix 16.43Der größte Skandal ist aber die Sache mit der Bezahlung. Gefragt, was die Cheerleaderinnen verdienen, antwortet die ehemalige DCC Kat, sie bekomme etwa so viel, wie jemand, der Vollzeit im Fastfood-Restaurant „Chick-fil-A“ arbeitet. Kein Wunder, dass die meisten Frauen vormittags ihren Jobs nach gehen, als Krankenschwester, Zahnärztin oder Versicherungsmaklerin arbeiten. Danach wird täglich mehrere Stunden hart trainiert, hinzu kommen Charity-Verpflichtungen wie etwa ein Besuch im Seniorenheim oder Fan-Treffen.
Auch Charlotte Jones aus der Geschäftsführung – sie ist die Tochter des Gründers, räumt ein: „Sie werden nicht gut bezahlt“. Dabei gilt die NFL als umsatzstärkste Sportliga der Welt, 2022 waren es etwa über 18 Milliarden Dollar. Das ist mehr, als die fünf größten europäischen Fußballligen zusammen erwirtschaften. Doch die Frauen kämen ja nicht für Geld, beteuert Jones, sondern für etwas viel Größeres. „Sie haben die Chance, sich hier wertgeschätzt und als etwas Besonderes zu fühlen und sie machen einen Unterschied. Wenn die Frauen zu uns kommen, finden sie ihre Leidenschaft und ihre Bestimmung“, so die Geschäftsfrau.
Besonders ironisch wird es, als die DCCs mit Countrysängerin Dolly Parton bei der traditionellen Thanksgiving-Show auftreten und zu deren Hit „9 to 5“ tanzen. „Working 9 to 5, what a way to make a living / Barely getting by, it’s all taking and no giving“, heißt es darin treffend.
Und so bleiben nach der Netflix-Doku zwei Gefühle zurück: Respekt für die Leistung der Frauen. Und Ärger über die dreiste Ausbeutung derer.
„Dallas Cowboys Cheerleader: Ein amerikanischer Traum“ läuft auf Netflix.