Sportlich war 2023 für den DFB ein enttäuschendes Jahr. Doch wirtschaftlich hat er nach zwei Jahren mit Verlusten den Turnaround geschafft – auch ohne die Unterstützung teurer Berater.
Davon, dass derzeit eine Europameisterschaft im eigenen Lande läuft, sehen Besucher in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bunds in Frankfurt auf den ersten Blick nicht viel. Keine auffälligen Banner oder Deutschland-Flaggen, keine speziellen Events. Nur auf der großen Videowand im Eingangsbereich ist ein Grundriss des „Homeground“ zu sehen – jenes Campus beim Sportartikelkonzern Adidas, wo die Nationalmannschaft während der Heim-EM ihr Basislager aufgeschlagen hat.
Auch während des Turniers läuft in der DFB-Verwaltung die Arbeit normal weiter. In diesen Tagen hat die Führung des Verbands etwa auch die Arbeiten am Jahresabschluss für 2023 abgeschlossen, nun haben die Wirtschaftsprüfer ihre Testate übermittelt. Der Abschluss liegt Capital exklusiv vor.
Was die Zahlen zeigen, ist, dass sich der mitgliederstärkste Sportverband der Welt im vergangenen Jahr aus seiner wirtschaftlichen Krise gekämpft hat. Nach zwei Jahren, in denen der DFB aufgrund von Steuernachzahlungen, sportlichen Misserfolgen und Belastungen durch die Kosten des neuen Campus in Frankfurt Verluste verbuchte, weist der DFB für 2023 wieder einen Gewinn aus. Konkret lag der Jahresüberschuss bei knapp 4,9 Mio. Euro – nach einem Verlust von 4,2 Mio. Euro im Vorjahr und sogar 33,5 Mio. Euro im Horrorjahr 2022.
Dabei profitierte der gemeinnützige Verein (e.V.) von der Gewinnausschüttung seines Tochterunternehmens, in dem er seit 2022 seine wirtschaftlichen Aktivitäten konzentriert – darunter etwa den Betrieb der Nationalmannschaften und die Bereiche Sponsoring und Lizenzen. Die DFB GmbH & Co. KG überwies einen Überschuss von 29,2 Mio. Euro. Hinzu kam die Auflösung von Rücklagen bei der KG in Höhe von 9,5 Mio. Euro, die der DFB e.V. als Gesellschafter beschlossen hat.
„Licht am Ende des Tunnels“
„Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“, sagt DFB-Schatzmeister Stephan Grunwald. Als der Unternehmensberater im Frühjahr 2022 im Team des neu gewählten DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf als Finanzchef begann, führte er zunächst einen Kassensturz durch. Der ernüchternde Befund: Der lange Zeit sportlich und wirtschaftlich so erfolgreiche DFB wies ein „strukturelles Defizit“ von rund 19,5 Mio. Euro auf – lebte also massiv über seine Verhältnisse. In der Folge berief die Verbandsspitze zehn Arbeitsgruppen mit mehr als 50 Beschäftigten aus verschiedenen Bereichen und Ehrenamtlichen ein, die Vorschläge für Einsparmöglichkeiten und neue Erlöspotenziale unterbreiten sollten.
Ein Jahr, nachdem die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse vorgestellt haben, sagt Grunwald jetzt: „Das Wort strukturelles Defizit würde ich heute nicht mehr in den Mund nehmen.“ DFB-Präsident Neuendorf sagt, besonders stolz sei er darauf, dass der Verband die finanzielle Stabilisierung ohne Unterstützung teurer Beratungsunternehmen erreicht habe: „Wir haben es aus eigener Kraft geschafft, das strukturelle Defizit zu beseitigen.“ Dies sei allerdings auch ein „Kraftakt“ gewesen.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf: „Wir machen keine Drahtseilakte“
© Arne Dedert / dpa
Für den Turnaround führt Finanzchef Grunwald drei Gründe an: die Effekte der intern erarbeiteten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung, die sich bei Einsparungen und Mehreinnahmen auf rund 15 Mio. Euro im Jahr summieren. Bei den Sparmaßnahmen handele es sich um „viele kleine Mosaiksteine“, sagt Grunwald – wie etwa der Verzicht darauf, die Rasenheizung für die Trainingsplätze im Winter durchlaufen zu lassen, was immerhin einen sechsstelligen Betrag einbringt. Auch beim Personal wird nach einem Aufbau auf mehr als 600 Mitarbeiter in der DFB-Gruppe in den vergangenen Jahren inzwischen genauer hingeschaut, ob jede frei werdende Stelle nachbesetzt werden muss.
Zweitens führt die Neufassung des sogenannten Grundlagenvertrags mit der Deutschen Fußball Liga (DFL), die seit Juli 2023 gilt, zu deutlich höheren Erlösen für den DFB. Grunwald beziffert diese Verbesserung auf 24 Mio. Euro vor Steuern. Als drittes Element, das zum Abbau des strukturellen Defizits beiträgt, nennt der Schatzmeister die „guten Erfolge“ von Holger Blask, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der DFB GmbH und Co. KG, bei der Vermarktung der Ligen, die der DFB in eigener Regie betreibt (Dritte Liga, Frauen-Bundesliga), sowie der DFB-Pokale und der A-Nationalmannschaften. So hatte die kommerzielle Tochter des Verbands unter der Führung von Chefvermarkter Blask die Erlöse im Sponsoring 2023 von 156 auf 163 Mio. Euro gesteigert – trotz eines in sportlicher Hinsicht komplett verkorksten Jahres mitsamt Rauswurf von Bundestrainer Hansi Flick und Vorrunden-Aus der Frauen-Nationalmannschaft bei der WM. In diesem Frühjahr folgte dann der Megadeal mit dem künftigen Ausrüster Nike.
Insgesamt legte der Umsatz der DFB GmbH & Co. KG 2023 kräftig von 376,5 Mio. auf 423,4 Mio. Euro zu. Der Gewinn nach Steuern stieg von 23 auf 34,2 Mio. Euro – von denen 29,2 Mio. an den Verband ausgeschüttet wurden. Zu den komplexen Finanzbeziehungen innerhalb der DFB-Gruppe zählen zudem weitere vertraglich definierte Zahlungen: So überweist die DFB GmbH & Co. KG an den DFB e.V. eine gewinnabhängige Pacht für die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe, die im vergangenen Jahr 22,9 Mio. Euro betrug, sowie knapp 8 Mio. Miete im Jahr für die Nutzung des DFB-Campus in Frankfurt.
Rücklage wird erstmals seit 2014 aufgestockt
Der DFB habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren einen „Transformationsprozess“ durchlaufen, sagt Verbandspräsident Neuendorf. Dieser betreffe sowohl die Finanzlage als auch die Strukturen im sportlichen Bereich, bei allem gehe es um „wirtschaftliche Vernunft“ und „Stabilität“: „Wir machen keine Drahtseilakte.“ Solides Wirtschaften schaffe Akzeptanz und Vertrauen, auch in der Politik, bei den Partnern des DFB und den Finanzbehörden.
Ein wichtiger Nebeneffekt der deutlich verbesserten Finanzlage ist dabei auch, dass der DFB im vergangenen Jahr wieder in der Lage war, seine freie Rücklage aufzustocken – zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt. Die Reserve – intern „Schatzkammer“ genannt und nach dem WM-Triumph 2014 in Rio noch mehr als 120 Mio. Euro reich – war seither Jahr für Jahr geschrumpft, unter anderem zur Finanzierung des großdimensionierten neuen Hauptquartiers in Frankfurt. 2022 lag sie nur noch bei 41,4 Mio. Euro. Vergangenes Jahr wuchs das Finanzpolster dann wieder auf knapp 54,7 Mio. Euro an. Ziel sei es, die Rücklage in den kommenden Jahren weiter aufzustocken, um Risiken abpuffern zu können und künftige Investitionen in den Fußball zu ermöglichen, sagt Schatzmeister Grunwald.
Zu den Altlasten früherer DFB-Führungen zählen neben dem kostspieligen Campus auch diverse Steuerverfahren. Wegen der Affäre um das womöglich gekaufte Sommermärchen 2006 hatten die Finanzbehörden dem Verband für das betreffende Jahr rückwirkend die Gemeinnützigkeit entzogen. Gleiches erfolgte für die Jahre 2014 und 2015, in diesem Fall wegen einer aus Sicht des Finanzamts falschen steuerlichen Behandlung von Einnahmen aus Bandenwerbung. In allen Fällen hat der Verband die Entscheidung der Finanzbehörden angefochten.
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Ungeachtet seiner Einsprüche hat der DFB in den vergangenen Jahren bereits Steuern nachgezahlt und erhebliche Rückstellungen gebildet. Insgesamt wurde dem Verband dadurch Liquidität von rund 51 Mio. Euro entzogen. Intern geht man beim DFB, auch auf Basis extern eingeholter Gutachten, weiter davon aus, die Verfahren zu gewinnen. Im vergangenen Jahr kamen diese allerdings kaum voran, wie aus dem Jahresabschluss hervor geht. Im Sommermärchen-Fall will das zuständige Finanzgericht Kassel zunächst den Ausgang des laufenden Strafprozesses gegen frühere DFB-Funktionäre abwarten. Im Fall eines Erfolgs vor Gericht kann der Verband laut Jahresabschluss mit rund 24 Mio. Euro rechnen.
DFB wartet auf das Finanzamt
Im Streit um die Besteuerung der Bandenwerbung und die nachträgliche Aberkennung der Gemeinnützigkeit für 2014 und 2015 wiederum hatte der Verband Anfang 2023 Einsprüche gegen die geänderten Steuerbescheide eingelegt. Seither hat man beim DFB nichts mehr vom Finanzamt gehört. Darüber hinaus läuft weiterhin noch eine Betriebsprüfung für die Jahre 2016 bis 2020.
Aber auch ohne etwaige Rückzahlungen kalkuliert die DFB-Führung für das laufende Jahr erneut mit einem positiven Jahresergebnis. Gewinntreiber soll naturgemäß wieder die kommerzielle Tochterfirma sein: Bei ihr ist ein Jahresüberschuss nach Pachtzahlung in Höhe von rund 35 Mio. Euro geplant. Dabei könnte eine Sache die Bilanz 2024 noch ein wenig aufhübschen: wenn die Nationalmannschaft bei der Heim-EM weit kommt, dadurch hohe Prämien der UEFA einspielt – und damit einen Hype auslöst, der auch neue Sponsoren für den Verband anlockt.