Drei Tage vor der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen die Befugnisse des Präsidenten als Oberbefehlshaber in Frage gestellt und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Die in der Verfassung verankerte Rolle des Präsidenten als „Oberbefehlshaber der Streitkräfte“ sei ein „Ehrentitel“, sagte Le Pen in einem am Dienstagabend veröffentlichten Interview mit der Zeitung „Le Télégramme“.
„Es ist ein Ehrentitel, weil der Premierminister über die Kasse wacht“, betonte sie. Sie gehe davon aus, dass ihre Partei Rassemblement National (RN) die absolute Mehrheit erreiche und Parteichef Jordan Bardella dann Premierminister werde. „Jordan Bardella wird sich nicht mit dem Präsidenten anlegen, aber es gibt rote Linien. Der Präsident wird keine Soldaten in die Ukraine schicken können“, erklärte Le Pen.
Der dem Präsidenten Emmanuel Macron nahestehende Politiker François Bayrou warf Le Pen Verfassungsfeindlichkeit vor. „Wenn Sie behaupten, dass es nur ein hübscher Titel ist, dann stellen Sie auf gravierende Weise die Verfassung in Frage“, sagte er am Donnerstag dem Sender Europe 1. Le Pens Erklärung sei „äußerst besorgniserregend“, fügte er hinzu.
Die Wahl zur Nationalversammlung habe nicht nur nationale Bedeutung, sondern auch Folgen für Europa und darüber hinaus, sagte Bayrou. „Putin macht schon den Champagner auf“, sagte er in Anspielung auf die frühere Nähe des RN zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Le Pen bekräftigte ihre Position später im Onlinedienst X mit etwas diplomatischeren Worten: „Ohne die Zuständigkeit des Präsidenten für die Entsendung von Soldaten ins Ausland in Frage zu stellen, hat der Premierminister durch die Haushaltskontrolle die Möglichkeit, sich dagegen auszusprechen“, erklärte sie.
Sie erinnerte daran, dass der sozialistische Premierminister Lionel Jospin sich 1999 gegen die Entsendung französischer Soldaten ausgesprochen hatte, die der konservative Präsident Jacques Chirac geplant hatte.