Gesetzeslücke: Behindertenbeauftragter kritisiert neues Staatsbürgerschaftsrecht

Das neue Staatsbürgerschaftsrecht tritt in Kraft – und erntet prompt scharfe Kritik. Menschen mit Behinderungen hätten nun Nachteile bei der Einbürgerung, sagt der Bundesbeauftragte im stern.

Am Donnerstag tritt das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft, das in vielen Fällen die Einbürgerung vereinfacht: So können Ausländer nun bereits nach fünf statt wie bislang nach acht Jahren eingebürgert werden – und dabei auch ihren ausländischen Pass behalten. Für Menschen mit Behinderungen allerdings wird die Einbürgerung erschwert. 

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen übt harte Kritik: Das neue Staatsangehörigkeitsrecht stelle „eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen dar“, sagte Jürgen Dusel dem stern. Dies sei aus verfassungsrechtlicher Sicht „problematisch“.

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel
© Behindertenbeauftragter/Thomas Rafalzyk

Für eine Einbürgerung gelten unterschiedliche Voraussetzungen – unter anderem werden nur diejenigen eingebürgert, die keine Sozialleistungen beziehen. Nach der alten Rechtslage gab es davon allerdings eine Ausnahme: Wer dafür nicht selbst verantwortlich ist, konnte trotzdem den deutschen Pass bekommen. 

Menschen mit Behinderung haben „keinen Anspruch mehr“

Diese Ausnahme, die neben für Menschen mit Behinderung etwa auch für pflegende Angehörige wichtig ist, wurde auf Drängen der FDP gestrichen. „Die Streichung genau dieses Halbsatzes im neuen Staatsangehörigkeitsrecht bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen, egal ob sie aufgrund ihrer Behinderung gar nicht oder nur Teilzeit arbeiten können oder deshalb vielleicht ‚Aufstocker‘ sind, keinen Anspruch mehr auf Einbürgerung haben“, sagte Dusel. 

FAQ Änderungen Staatsbürgerschaft Deutschland15.59

Sie können einen anderen Weg gehen: über einen Härtefallantrag. Dadurch gibt es allerdings keinen Anspruch auf Einbürgerung, sondern die Entscheidung liegt im Ermessen der lokalen Behörde.

Sachverständige kritisierten neue Regelung

Bereits während des Gesetzgebungsprozesses hatte es daran Kritik gegeben. So haben in einer Anhörung des Innenausschusses im vergangenen Dezember zahlreiche Sachverständige die Neuregelung kritisiert. Die „Verschärfung beim Lebensunterhalt“ sei verfassungsrechtlich hochproblematisch, sagte die Rechtswissenschaftlerin Sina Fontana von der Universität Augsburg. Die Regelung wirke sich als mittelbare Diskriminierung von Personengruppen aus, die sich in prekären Lebenssituationen befänden. 

Der Beauftragte Dusel betonte damals, dass der Verweis auf eine Bewerbung als Härtefall die Nachteile für Menschen mit Behinderungen „nicht zu kompensieren“ vermöge. In einem Statement der Grünen-Abgeordneten Corinna Rüffer hieß es, mit der Regelung rücke eine Einbürgerung für viele Menschen mit Behinderungen und für pflegende Angehörige „in unerreichbare Ferne“.