Spieler, Verantwortliche und Fans sind gleichermaßen genervt. Die Bahn sollte zum Verkehrsmittel der Wahl bei dieser EM werden, entpuppte sich jedoch als Schwachstelle.
Ronald Koeman hatte allen Grund, zerknirscht dreinzuschauen. Der niederländische Trainer konnte mit der Leistung seines Teams, das 2:3 gegen Österreich verloren hatte und damit nur Platz drei in der Gruppe belegte, nicht zufrieden sein. Und dann lag auch noch eine lange Rückreise vor dem Bondscoach und seinen Spielern.
Eigentlich wollte Oranje nämlich die Strecke zwischen dem Spielort Berlin und Wolfsburg, wo die Nationalmannschaft ihr EM-Quartier aufgeschlagen hat, mit der Bahn zurücklegen. Das klappte auf der Hinfahrt, nach der Partie am frühen Dienstagabend fuhr aber kein Zug mehr aus der Hauptstadt nach Wolfsburg. Um 21.26 Uhr ging die letzte ICE-Verbindung. „Deutschland wirbt damit, eine nachhaltige Europameisterschaft auszurichten. Aber sie schaffen es nicht“, ärgerte sich Koeman. Die Holländer mussten schließlich drei Stunden Bus fahren statt 90 Minuten mit der Bahn.Organisations-Chaos bei der EM 20.00
EM 2024: Deutsche Bahn gesteht Probleme ein
Der Bondscoach ist nicht der einzige, der während der Europameisterschaft unter der Deutschen Bahn leidet. Die EM sollte verkehrstechnisch so nachhaltig stattfinden wie noch nie. Für Ticketbesitzer gab es ermäßigte Fahrkarten, 10.000 zusätzliche Sitzplätze pro Tag sollten angeboten werden. Doch die hohen Erwartungen wurden nicht erfüllt. Stattdessen sorgt die Bahn – wie so häufig im Alltag – auch während der EM für Frust: Verspätungen, überfüllte Züge oder gar ausgefallene Verbindungen.
„Wir verstehen den Unmut und die Kritik von Fans. Die Bahn bietet aktuell nicht die Qualität, die alle verdient haben. Gleichzeitig tun wir derzeit alles, um die Reisenden zuverlässig an ihre Ziele zu bringen“, sagte Bahn-Vorstand und Fernverkehrschef Michael Peterson der „Bild“.
Tatsächlich sorgt das Chaos auf den Schienen immer wieder für Unmut, der die Feierstimmung während der EM in Deutschland trübt. Und zwar sowohl bei Profis und Verantwortlichen als auch bei normalen Fans. Anhänger aus Österreich gingen in den sozialen Netzwerken mit einem Video viral, indem sie ihrem Ärger Luft machten: „Die Deutsche Bahn is so im Oasch“, sangen sie auf dem Weg zum Gruppenspiel gegen die Niederlande, weil auch diese Fahrt nicht störungsfrei vonstatten ging.
Auch Philipp Lahm kam zu spät
Und auch Turnierorganisator Philipp Lahm bleibt von den Kapriolen des öffentlichen Fernverkehrs nicht verschont. Der ehemalige Bayern-Profi verfolgt einen ganz anderen Ansatz als noch Franz Beckenbauer 2006: Statt wie der Kaiser per Helikopter durchs Land und von Spiel zu Spiel zu schweben, fährt er mit der Bahn. Lahm war es auch, der die Idee von einem nachhaltigen Turnier entscheidend vorangetrieben hatte.
Beim Spiel Slowakei gegen Ukraine steckte er mit dem Zug fest und verpasste deshalb ein Fernsehinterview im Düsseldorfer Stadion. „Wir stehen im Austausch mit der Deutschen Bahn, sie werden alles weiterhin tun, dass die Menschen von A nach B wirklich pünktlich kommen“, kommentierte Lahm seine Verspätung. „Aber das ist kein Problem, was jetzt auftritt, während des Turniers. Da hätte man weit vorher schon dran arbeiten müssen.“ Die Probleme seien „ärgerlich, vor allem für Fans, die lange Reisen auf sich nehmen, die Geld, viel Geld dafür ausgeben.“ Lahm stellte aber auf X klar, dass er weiter „treuer Bahn-Kunde“ bleibe.
Andere haben da weniger Vertrauen. Die türkische Nationalmannschaft entschied sich dagegen, vom Quartier in Hannover zum letzten Gruppenspiel gegen Tschechien nach Hamburg mit der Bahn zu fahren. Stattdessen nehmen die Türken für die nur 150 Kilometer lange Strecke das Flugzeug.
Quellen: „Bild“ / Deutsche Bahn / DPA