Die SPD reißt sich zwar zusammen, doch es ist offensichtlich: Sie will endlich Ergebnisse vom Kanzler sehen. Die Etatverhandlungen kommen in die entscheidende Phase.
Dann kommt Olaf Scholz auf diese eine große Aufgabe zu sprechen, die „unmittelbar“ bevorstehe – obwohl sie die Ampel ja schon seit Wochen und Monaten lähmt, gar zu zerfetzen droht. Aber der Kanzler scheint das etwas anders wahrzunehmen.
Sehr kollegial verliefen die Gespräche zum Haushalt, ruft er am Mittwoch in seiner Regierungserklärung ins laute Lachen der Opposition. Durchweg sachorientiert. Und da die Verhandlungen vertraulich verliefen, „sind Sie im Wesentlichen auf Mutmaßungen angewiesen“. Ha!
Das gilt aber offenkundig auch für seine eigene SPD-Fraktion, deren Klatschen an dieser Stelle eher pflichtschuldig wirkt.
Die Fraktion will was Handfestes
Der Kanzler nehme die Fraktion nicht mit, kommuniziere zu wenig, gewähre kaum Einblick in seine Haushaltsverhandlungen mit Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Linder – dieser Eindruck drückt manchen Genossen schon eine ganze Weile aufs Gemüt. Was will der Kanzler, was ist sein Plan?
Erstmal: Zeit gewinnen. Statt am 3. Juli soll der Etatentwurf der Regierung wohl Mitte Juli stehen. So kollegial die Verhandlungen auch sein mögen, einfach sind sie offenkundig nicht. Aber immerhin so vertraulich, dass selbst Rolf Mützenich, der SPD-Fraktionsvorsitzende, offenbar über Umwege von der Terminverschiebung erfahren musste.
Die Bundesregierung sei gut beraten, „in der nächsten Woche klare politische Festlegungen auch mit uns zu teilen“, mahnte Mützenich vor der Fraktionssitzung am Dienstag. Er ist Scholz‘ wichtigster Mann, schließlich verschafft er ihm seine Mehrheiten, doch scheint auch Mützenich allmählich mit seiner Geduld am Ende zu sein. Dabei versteht er es als seinen Job, dem Kanzler den Raum für besonnene Entscheidungen zu verschaffen. Nun will er etwas Handfestes zum Haushalt haben, bevor das Parlament in die Sommerferien geht.
„Da werde ich schon geeignete Möglichkeiten finden“, sagte Mützenich, „dass sich die Fraktion auch fachlich und in aller Ruhe damit wird auseinandersetzen können“.
Intern wiederholte Mützenich am Dienstag seine Erwartungshaltung, diesmal im Beisein des Kanzlers. Der gratulierte ihm zum Geburtstag und nannte ihn einen „besonderen Menschen“. Es soll ruhig zugegangen sein, berichten Teilnehmer der Fraktionssitzung – jedenfalls gemessen an der Frage, worum es gerade geht – den Fortbestand der Regierung nämlich. Denn: Wird’s nix mit dem Haushalt, dann war’s das wohl auch mit der Ampel.
Auch das dürfte ein Grund für Mützenichs Mahnung an Scholz gewesen sein: Ruhe im eigenen Laden. In der letzten Sitzung wurde Scholz noch offen kritisiert, viele Wortmeldungen gelangten nach außen. Jetzt stellte Mützenich klar: Der Haushalt dauert noch ein bisschen, aber diskutieren brauchen wir hier nicht schon wieder. Solange nächste Woche mal eine Ansage kommt, wohin die Reise geht. Die Stimmung war friedvoller, gelassener als beim letzten Mal. „Dat Leben is‘ kein Ponyhof und Olaf nit die Wendy“, sagte die Bundestagsabgeordnete Claudia Moll aus Nordrhein-Westfalen. Offenbar eine Anspielung an die fiktiven und heldenhaften Pferdeabenteuer der Reiterin Wendy. Die Botschaft: positiv bleiben!
Ist das SPD-Manöver wirklich klug?
Dabei ist offensichtlich, dass in der SPD längst mit dem Schlimmsten gerechnet wird. Die Parteilinken vom „Forum DL21“ wollen durch ein Mitgliederbegehren einen Kürzungshaushalt verhindern, die drei sehr unterschiedlichen Fraktionsströmungen hielten in einem gemeinsamen Statement fest, dass sie Sonderinvestitionen und eine erneute Ausnahme der Schuldenbremse erwarten.
Also allesamt Dinge, die mit dem liberalen Koalitionspartner nicht zu machen sind. Dass die drei Fraktionsströmungen ihrem Kanzler „geschlossen den Rücken“ stärken würden, ihm faktisch aber Leitplanken vorgeben, dürfte einen Kompromiss erschweren. Ist das Manöver also wirklich klug? Und was würde die SPD-Fraktion eigentlich machen, wenn keine Ausnahme von der Schuldenbremse käme?
Scholz selbst sagt zu einer möglichen Notlage kein Wort. „Es darf keine Einschnitte bei der sozialen Gerechtigkeit geben“, betont er in seiner Regierungserklärung nur, ob bei der Rente oder Gesundheit. Das sei eine Priorität seiner Regierung. Es dürfte auch eine Botschaft an seine Partei gewesen sein. Der Haushaltsentwurf der Regierung werde „im Juli“ stehen, versicherte Scholz.
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Die Verschiebung führe im parlamentarischen Betriebsablauf zu keinen konkreten Störungen, sagt Katja Mast. Der SPD-Fraktionsmanagerin zufolge könnten im September die Haushaltsberatungen im Bundestag beginnen, ein Beschluss im November erfolgen – wie es der übliche Weg zu einem Etat auch vorsieht.
Doch auch Mast wiederholte am Mittwochmorgen, dass die Fraktion eine „politische Erklärung“ in der kommenden Woche erwarte, wie es etwa um Zukunftsinvestitionen und möglichen Einsparungen steht. Der Kanzler hätte jedenfalls genug Möglichkeiten dazu.
Am Dienstag steht die nächste SPD-Fraktionssitzung an, am Mittwoch stellt sich Scholz der Regierungsbefragung im Bundestag. Außerdem soll es eine Sondersitzung der Fraktion geben, sobald sich die Regierung auf einen Haushaltsentwurf geeinigt hat.
„Ein Haushalt muss Orientierung und Klarheit geben“, fordert SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz. Die Menschen und die deutsche Wirtschaft würden Signale der Politik erwarten, die man aus einem Haushalt herauslesen kann. „Mit dem Haushalt 2025 besteht für die Ampel die Chance zu zeigen, dass man den Willen und die Kraft hat, die Zukunft mutig zu gestalten“, sagte Schwarz dem stern.
Ob der Kanzler liefern kann?