Fördergeldaffäre: Im Kreuzverhör: Auf die entscheidende Frage gibt die Ministerin keine Antwort

Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) musste sich vor dem Bildungsausschuss erklären. Dabei wich sie in einem zentralen Punkt aus. Unterstützung bekam sie von überraschender Seite.

Die Ministerin ist in Schwarz gekommen. Um 11.59 Uhr betritt Bettina Stark-Watzinger Sitzungssaal 3.101 im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags. Der Bildungsausschuss hat sie hierher eingeladen, verlangt Auskunft zur so genannten Fördergeldaffäre. 

Der 56-jährigen FDP-Politikerin ist nicht anzumerken, dass es in diesen Tagen um nichts Geringeres als ihr politisches Überleben geht. Selbstbewusst beantwortet sie eine Dreiviertelstunde lang die Fragen der Abgeordneten – zumindest die, die sie beantwortet. Eine ganz wichtige lässt sie hingegen offen, selbst auf mehrfache Nachfrage.

Wer ist verantwortlich dafür, dass in ihrem Ministerium eine Liste jener Hochschuldozentinnen und -dozenten erstellt wurde, die sich am 8. Mai per offenem Brief mit pro-palästinensischen Studierenden solidarisiert hatten und die zugleich Förderungen vom Ministerium erhalten? Und zu welchem Zweck wurde diese Liste erstellt?

Die Ministerin selbst hatte sich am 8. Mai von der „Bild“ mit den Worten zitieren lassen, der offene Brief habe sie „fassungslos“ gemacht. Gerade Professoren und Dozenten müssten „auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“.

Wollte das Ministerium politisch unliebsamen Wissenschaftlern die Gelder streichen?

Staatssekretärin musste gehen

Die verbeamtete Staatssekretärin Sabine Döring hat diese Frage den Posten gekostet. Stark-Watzinger versetzte sie in den einstweiligen Ruhestand, nachdem der NDR recherchiert hatte, dass Döring eine zuwendungsrechtliche Prüfung in Auftrag gegeben hatte. Allerdings war dieser Vorgang nahezu umgehend wieder gestoppt worden; Döring hatte später in einer E-Mail an ihre Mitarbeiter erklärt, sie sei missverstanden worden. Es sei ihr allein um die Frage gegangen, ob die Forderung des offenen Briefes, keinen Polizeieinsatz auf dem Campus zuzulassen, verfassungskonform sei.

Wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt: Staatssekretärin Sabine Döring.

Vor dem Bildungsausschuss beteuert Stark-Watzinger, nichts mit dem Vorgang zu tun zu haben. „Eine solche Prüfung widerspricht den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit“, betont sie. Sie habe erst aus den Medien erfahren, dass es einen solchen Auftrag überhaupt zwischenzeitlich in ihrem Ministerium gab. Sie habe sich dann informieren lassen und anschließend entschieden, dass eine „Vertrauensbasis“ für die weitere Zusammenarbeit mit der Staatssekretärin nicht mehr gegeben sei. 

Die Ministerin will von der Namensliste nichts gewusst haben

Aber auch von der Namensliste will Stark-Watzinger nichts gewusst haben. Als der sternvor einer Woche nach der Existenz dieser Liste fragte, hüllte sich das Ministerium in Schweigen. Inzwischen hat man sie bestätigt. Eine Fachabteilung habe sie erstellt, um für Pressenachfragen gewappnet zu sein, sagt Stark-Watzinger vor dem Bildungssausschuss: „Diese Übersicht wurde mir nicht vorgelegt und auch nicht an Dritte übermittelt.“ 

Doch das reicht dem bildungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Jarzombek (CDU), nicht. Dreimal fragt er, wer denn den Auftrag zur Liste gegeben habe. Und erhält keine Auskunft. Nur soviel: Die Liste sei nicht von der Leitungsebene in Auftrag gegeben worden und nicht von ihr persönlich, so Stark-Watzinger. Mehr will sie nicht sagen, denn es gehe auch „um den Schutz von Mitarbeitern“. 

Die AfD applaudiert Stark-Watzinger

Aus internen Unterlagen, die dem stern vorliegen, geht hervor, dass neben der zuständigen Fachabteilung auch das Pressereferat am 10. Mai, zwei Tage nach Veröffentlichung des offenen Briefes, darum gebeten hatte, zu prüfen, wer von den Unterzeichnern Zuwendungen durch das Ministerium erhielt. „Routinemäßig“ sei dies erfolgt, um auf Presseanfragen reagieren zu können. 

Causa Döring 11.57

Und davon will die Ministerin, die sich öffentlich so klar gegen die Dozenten gestellt hatte, nichts gewusst haben? „Unglaubwürdig“ nennt das die Linken-Abgeordnete Nicole Gohlke in der Sitzung des Bildungsausschusses. Aber Stark-Watzinger bleibt bei ihrer Darstellung. 

Unterstützung bekommt sie ausgerechnet aus der AfD. Die Kritik am offenen Brief sei „von einer bestimmten interessierten Lobby“ instrumentalisiert worden, um unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit „den eigenen Judenhass ausleben zu können“, glaubt der AfD-Abgeordnete Götz Frömming: „Es ist richtig zu überlegen, was man dagegen tun kann.“

„Eine Meinung hat kein Recht auf Zustimmung“

Doch von rechts will sich Stark-Watzinger nicht vereinnahmen lassen. Man müsse zwischen Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit differenzieren. Dabei gehe es nicht „um schnellen Applaus aus einer Ecke“. Sie bleibe bei ihrer Kritik am offenen Brief, der eine Meinungsäußerung darstelle: „Eine Meinung hat kein Recht auf Zustimmung.“ Aber ihr Ministerium vergebe Förderungsgelder nach „wissenschaftliche Exzellenz“, nicht nach weltpolitischer Anschauung.  

Die Mitglieder des Bildungsausschusses überzeugen die Einlassungen der Ministerin nicht – von denen aus Watzingers eigener Fraktion einmal abgesehen. 

„Es sind heute zahlreiche Fragen offen geblieben“, klagt CDU-Politiker Jarzombek nach der Sitzung. Man werde am Vorgang dran bleiben. Für Stark-Watzinger, das wurde am Mittwoch klar, ist der Kampf ums Überleben noch nicht vorbei.