Das Landgericht Hannover muss den aufsehenerregenden Prozess gegen einen Orchestermusiker, der anderen Menschen Rattengift verabreichte, teilweise neu aufrollen. Die Verurteilung des Manns wegen versuchten Mordes an seiner eigenen Mutter ist rechtskräftig, wie der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch in Karlsruhe mitteilte. Über eine weitere Tat, bei welcher der Musiker zwei Kollegen einen mit Gift versetzten Frischkäsedip gegeben haben soll, muss dagegen neu verhandelt und entschieden werden. (Az. 6 StR 71/24)
Der Angeklagte arbeitete bei einem Orchester als erster Konzertmeister. Wie das Landgericht feststellte, fühlte er sich vom zweiten Konzertmeister schikaniert und entwickelte ihm gegenüber Tötungsfantasien. Über das Internet habe er eine große Menge des Rattengifts Brodifacoum bestellt. Dieses hebt bereits in geringer Dosierung die Blutgerinnung auf und kann so tödlich wirken.
Den zweiten Konzertmeister vergiftete der Angeklagte aber nicht. Stattdessen besuchte er im September 2022 seine Mutter in einer Senioreneinrichtung. Dort mischte er einen Teil des Gifts in für sie bestimmte Lebensmittel, wie das Landgericht weiter feststellte.
Wenige Tage später sei es bei der Frau zu Blutungen gekommen. Die Vergiftung wurde aber rechtzeitig entdeckt und ihr Leben gerettet. Das Landgericht wertete diese Tat des damals 62-Jährigen in seinem Urteil vom Oktober als versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung.
Es war außerdem davon überzeugt, dass der Angeklagte kurze Zeit später seinen Kollegen auf einer Busfahrt den Dip gereicht hatte, in den er zuvor das Rattengift gemischt hatte. Auch die beiden erlitten anhaltende Blutungen, konnten aber gerettet werden. Das Landgericht wertete dies als Körperverletzung. Einen Tötungsvorsatz sah es nicht.
Der Angeklagte habe seinen Kollegen nur einen Denkzettel verpassen wollen, weil diese ihn bei seinem Streit mit dem anderen Konzertmeister nicht genug unterstützt hätten. Er habe sie nicht töten wollen, erklärte das Gericht in Hannover. Die Kollegen seien deutlich jünger und gesünder als die Mutter des Angeklagten, und der Mann habe darauf vertraut, dass sie nicht an der Vergiftung sterben würden.
Dagegen wandte sich die Staatsanwaltschaft an den BGH und hatte dort nun bezüglich der zweiten Tat Erfolg. Das Landgericht sei hier zugunsten des Angeklagten von Annahmen ausgegangen, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gebe, erklärte der BGH. Es müsse darum über den zweiten Fall noch einmal verhandeln und entscheiden.
Die Revision des Angeklagten wurde dagegen verworfen. Die Verurteilung wegen der ersten Tat, der Vergiftung der Mutter, ist damit rechtskräftig. Das Landgericht hatte den Musiker ursprünglich zu einer Gesamtstrafe für beide Taten verurteilt und sechseinhalb Jahre Haft verhängt.