Die SPD im Abgeordnetenhaus wählt ihren Vorstand neu. Wie viel Gegenwind bekommt Fraktionschef Raed Saleh bei der Abstimmung?
Nach seiner bitteren Niederlage bei der Kandidatur um den Parteivorsitz hat SPD-Fraktionsvorsitzender Raed Saleh den nächsten Stresstest vor sich. Die Mitglieder der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus wählen bei ihrer regulären Sitzung am Dienstagnachmittag ihren Vorstand neu. Saleh, der die Fraktion schon seit 2011 anführt, tritt erneut an, allerdings unter erschwerten Bedingungen. Der SPD-Politiker steht parteiintern in der Kritik, und es gilt als denkbar, dass auch unter den SPD-Abgeordneten die Zustimmung bröckelt.
Noch ist Saleh auch Parteivorsitzender, aber nicht mehr lange: Zusammen mit der Bezirkspolitikerin Luise Lehmann hatte er sich um den Parteivorsitz beworben, war aber schon in der ersten Runde der Mitgliederbefragung zur Doppelspitze in der Landes-SPD ausgeschieden. Die Stichwahl gewannen Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini, beides ausgesprochene Saleh-Kritiker. Auch das dritte Bewerberduo aus dem SPD-Landesvize Kian Niroomand und der früheren Vorsitzenden der SPD-Frauen, Jana Bertels, hatte Saleh öffentlich deutlich kritisiert und einen Neuanfang im Parteivorstand gefordert.
Schon nach der Wiederholungswahl im Februar 2023, bei der die SPD rund zehn Prozentpunkte hinter der CDU und nur hauchdünn vor den Grünen landete, hatte es an den Parteivorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh massive Kritik gegeben. Parteilinke störten sich vor allem an ihrer Entscheidung, lieber als Juniorpartner mit der CDU als weiter mit Grünen und Linken zu regieren, was rechnerisch möglich gewesen wäre.
Giffey erklärte schließlich, nicht wieder für den Parteivorsitz zu kandidieren, Saleh trat erneut an und scheiterte. Seitdem steht die Frage im Raum, welche Folgen das für seine Rolle als Fraktionsvorsitzender hat.
„Ich glaube schon, dass es in der Berliner SPD ein großes Bedürfnis nach einem Neustart gibt“, sagte Niroomand am Samstag, nachdem das Endergebnis der Mitgliederbefragung bekannt gegeben worden war. „Ich wünsche mir, dass das in der Fraktion nicht ignoriert wird, sondern dass das auch berücksichtigt wird.“
Auch am Termin für die Wahl des Fraktionsvorstands noch vor dem Parteitag am 25. Mai, bei dem die Parteivorsitzenden gewählt werden, gab es Kritik. „Ich glaube, den Termin jetzt wieder kurzfristig vorzulegen, das ist genau der Stil, den viele Mitglieder dieser Partei nicht mehr wollen“, sagte Niroomand. Dahinter steht der Vorwurf, Saleh wolle Fakten schaffen, bevor eine ausgiebige Diskussion über das Ergebnis der Mitgliederbefragung und über Salehs Rolle in der Partei möglich sei.
Salehs herbe Niederlage hatte auch Diskussionen um seine Rolle an der Fraktionsspitze provoziert: Öffentlich gab es Vorschläge, eine Fraktions-Doppelspitze einzuführen aus einem Mann und einer Frau – wie bei Grünen und Linken im Landesparlament. Über diese Frage soll nun zwar eine Arbeitsgruppe beraten, aber das geht nicht allen schnell genug.
Hikel und Böcker-Giannini wiesen erst am Samstag erneut darauf hin, dass sie diesem Modell viel abgewinnen können – und das nicht erst bei der nächsten Vorstandswahl. Wie groß der Kreis der Saleh-Kritiker in der eigenen Fraktion ist, lässt sich schwer abschätzen. Es gilt aber als durchaus realistisch, dass Saleh bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden nicht mit allen Stimmen rechnen kann.
Die SPD hat im Landesparlament 34 Abgeordnete, Saleh inklusive. Je nachdem, wie viele sich der Zustimmung für Saleh verweigern, könnte dessen Rolle nachhaltig geschwächt werden – auch in der Zusammenarbeit mit dem Regierungspartner CDU. Bisher galt Saleh in der SPD als Strippenzieher und starker Mann der Partei. Doch sollte er keine breite Bestätigung als Fraktionschef bekommen, steht das endgültig infrage.