Zahlreiche Bewohner eines während der Coronapandemie nach einem massivem Infektionsgeschehen abgeriegelten großen Wohnkomplexes im niedersächsischen Göttingen haben bei ihrem Kampf um Schmerzensgeld eine juristische Niederlage erlitten. Nach dem Landgericht Göttingen lehnte auch das Oberlandesgericht Braunschweig nach Angaben vom Dienstag ihren Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten ab. Die Bewohner hätten keinen Schmerzensgeldanspruch, erklärte das Gericht.
Das Gericht entschied demnach zwar nicht in der Sache selbst, die Bewohner könnten ihre Forderung nach der Ablehnung der Prozesskostenhilfe auf eigene Kosten weiterverfolgen. Gerichtliche Entscheidungen über Prozesskostenhilfe gelten aber als wichtiger juristischer Gradmesser für Erfolgsaussichten bei zivilrechtlichen Streitfällen. In der Zivilprozessordnung ist festgelegt, dass die Hilfe nur bei hinreichenden Erfolgsaussichten gewährt werden darf. Sieht ein Gericht diese als nicht gegeben an, ist das ein klarer Fingerzeig.
Mehrere hundert Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnkomplexes waren wegen eines massiven Coronaausbruchs im Juni 2020 für eine Woche zur Quarantäne ihren Wohnungen verpflichtet worden. Sie durften den Gebäudekomplex nicht verlassen, dieser wurde zeitweise mit einem Bauzaun umstellt und von der Polizei bewacht. Die Menschen wurden in dieser Zeit von den Behörden versorgt. Es kam damals auch zu Angriffen von Bewohnern auf Polizisten.
Nach Gerichtsangaben reichten im Februar mehr als 40 Bewohnerinnen und Bewohner eine Klage auf Schmerzensgeld gegen die Stadtverwaltung beim Landgericht Göttingen ein, parallel dazu stellten viele Anträge auf Prozesskostenhilfe zur Finanzierung des Rechtswegs. In 40 Verfahren lehnte das Landgericht noch im selben Monat die Bewilligung der Hilfen jedoch ab.
Laut Oberlandesgericht sehen die Klägerinnen und Kläger die Maßnahmen der Stadt an rechtswidrig an. Diese hätten sie in ihrer Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt. Zudem hätten sie Hunger und Schmerzen erlitten und seien durch die Absperrung des Wohnkomplexes gedemütigt und stigmatisiert worden.
Nach Einschätzung des Oberlandesgerichts handelte die Stadt aus damaliger Sicht aber sowohl bei der Quarantäneverfügung als auch bei den begleitenden Absperrmaßnahmen „rechtmäßig zum Schutz der Bevölkerung“. Es sei eine starke Ausbreitung von Coronainfektionen in dem Gebäude befürchtet worden, daher hätten die individuellen Interessen der Betroffenen zurücktreten müssen.
Zudem würde auch eine rechtswidrige Absperrung durch Bauzaun und Polizei „nicht zwangsläufig“ zu einem Schmerzensgeldanspruch führen, erklärte das Gericht. Die klagenden Bewohnerinnen und Bewohner müssten dafür „konkret erlittene Beeinträchtigungen oder Schäden“ darlegen. Dies sei ihnen aber weder vor dem Landgericht noch später vor dem Oberlandesgericht gelungen.