Der gewaltsame Tod eines Polizisten nach einer Messerattacke in Mannheim hat Deutschland erschüttert. Gewalt gegen Polizeibeamte kommt nach Angaben des bayerischen Innenministeriums immer häufiger vor.
Beleidigungen, Bisswunden, Knochenbrüche: Immer häufiger werden Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalt. Allein in Bayern wurden 2023 mehr als 3050 Polizeibeamte durch Angriffe verletzt. Das ist nach Angaben des bayerischen Innenministeriums seit der Erstellung von Lagebildern im Jahr 2010 ein neuer Höchstwert. 14 Polizisten wurden bei Attacken im vergangenen Jahr schwer verletzt und stationär im Krankenhaus behandelt.
Insgesamt gab es den Angaben zufolge 4826 Fälle von körperlicher Gewalt gegen Polizisten. Das sind 240 Fälle und 5,2 Prozent mehr als 2022. Acht dieser Fälle wurden als versuchte Tötungsdelikte eingestuft. „Die Hemmschwelle in unserer Gesellschaft, Gewalt einzusetzen, sinkt leider“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Montag in München. „Das bekommen auch unsere Polizistinnen und Polizisten leidvoll zu spüren.“
Gewerkschaft der Polizei fassungslos
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Florian Leitner, zeigte sich fassungslos: „Wir müssen unsere Polizistinnen und Polizisten endlich besser schützen“, forderte er. „Der traurige Mord an unserem Kollegen aus Mannheim zeigt, welch eklatant hohem Risiko unsere Kolleginnen und Kollegen in ihrem täglichen Dienst ausgesetzt sind. Hier können wir nicht mehr einfach so zusehen. Öffentliche Beileidsbekundungen bringen keine Lösung – es muss endlich gehandelt werden.“
Die Vorstellung des Lageberichts stand unter dem Eindruck dieser Tat. Angriffe auf Polizisten seien immer auch Angriffe auf den Rechtsstaat, sagte Justizminister Georg Eisenreich (CSU). „Deswegen schützen wir die, die uns schützen.“ Die bayerische Justiz sei darum angehalten, Verfahren, in denen es um Gewalt gegen Polizisten gehe, vorrangig und besonders schnell zu behandeln. Die Strafe müsse auf dem Fuß folgen, sagte Eisenreich. Darum gebe es in diesen priorisierten Verfahren „nach zwei, drei Monaten entsprechende Verurteilungen“.
Zu den Fällen körperlicher Gewalt zählten Raub, Körperverletzung, Widerstand oder tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte. Dazu kamen 2023 noch 2555 Beleidigungen und weitere Strafbestände. Insgesamt zählte das Innenministerium 7913 Fälle und damit 35 mehr als 2022. Die Tatorte waren in den meisten Fällen (44,6 Prozent) öffentliche Straßen, Wege oder Plätze, die meisten Gewalttaten gab es im Zusammenhang mit Fest- oder Gewahrsamnahmen (33,6 Prozent).
Mehr als 19 000 Polizisten attackiert
19 542 Polizisten wurden den Angaben zufolge attackiert, zu 14 089 von ihnen lag dem Innenministerium der Verletzungsgrad vor: Die allermeisten (11 039) blieben dabei unverletzt. Die Zahlen beziehen sich nach Angaben des Innenministeriums nicht nur auf Beamte der bayerischen Polizei, sondern auch auf 40 Polizisten aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Antwerpen, Brüssel und dem Kanton Zürich, die bei Unterstützungsaktionen in Bayern verletzt wurden.
Die Entwicklung ist allerdings nicht überall in Bayern gleich. Während die Polizeipräsidien Schwaben Nord (plus 23,7 Prozent), Unterfranken (plus 11,1 Prozent), Oberbayern Süd (plus 5,5 Prozent), Oberfranken (plus 3,4 Prozent) und Oberbayern Nord (plus 2,2 Prozent) teils deutliche Anstiege meldeten, sanken die Zahlen bei den Polizeipräsidien Mittelfranken (minus 15,7 Prozent), Schwaben Süd/West (minus 7,6 Prozent), Niederbayern (minus 7 Prozent), München (minus 6,6 Prozent) und Oberpfalz (minus 5 Prozent).
Brennpunkte Augsburg, Traunstein, Hof
Besonders gefährlich für Polizisten war es laut Lagebild in Augsburg. Dort lag die sogenannte Häufigkeitszahl – Fälle mal 100.000 geteilt durch Einwohnerzahl – 2023 bei 184. In Traunstein lag sie bei 179 und in Hof bei 178.
Dass Gewalt gegen Polizisten trotz des Einsatzes sogenannter Bodycams ein immer größeres Problem wird, spricht nach Ansicht von Innenminister Herrmann aber nicht gegen deren Nutzen. Möglicherweise wären die Zahlen sonst noch höher. Außerdem seien oft Alkohol und Drogen im Spiel. „Wenn einer völlig besoffen ist oder bekifft ist“, dann spielten rationale Überlegungen, dass eine Bodycam ihn bei dem Angriff aufzeichne, oft keine Rolle mehr, sagte Herrmann.