Der Internetblog „Volksverpetzer“ klärt seit Jahren über Desinformationen im Netz und Rechtsextremismus auf. Nun wurden dem Gründer Thomas Laschyk und seinem Team die Gemeinnützigkeit entzogen. Wie konnte es soweit kommen?
Seit 2015 klären Thomas Laschyk und sein Team vom „Volksverpetzer“ mit Faktenchecks über Rechtspopulismus, Desinformationskampagnen und Verschwörungsmythen auf – und das mit Erfolg. Der Webblog ist in den letzten zehn Jahren von einem regionalen Medium der Augsburger Politik zu einer wichtigen Stimme im bundesweiten Diskurs geworden.
Die Gemeinnützigkeit des „Volksverpetzer“ ermöglichte bislang seinen Unterstützerinnen und Unterstützern, Spenden an das Portal von der Steuer abzusetzen. Diese Gemeinnützigkeit wurde dem Blog nun rückwirkend ab 2021 entzogen. Für das Medium, das sich nach eigenen Angaben fast ausschließlich durch Crowdfunding und nicht durch Mittel von Stiftungen oder Parteien finanziert, eine äußerst unerfreuliche Wendung.
Im Gespräch mit dem stern erzählt Thomas Laschyk, wie seine Community auf das Aus reagiert und erklärt, was er nun von der Bundesregierung fordert.
Herr Laschyk, der „Volksverpetzer“ ist seit fünf Jahren gemeinnützig. Nun wurde Ihnen der Status entzogen. Wie haben Sie davon erfahren?
Durch eine Prüfung vom Finanzamt. 2021 wurde unser Status noch einmal anerkannt. Ende letzten Jahres stand unsere Steuerberaterin zuletzt im Austausch mit dem Finanzamt. Doch im April teilte man uns mit, dass der Status aberkannt wird. Seitdem versuchen wir, das Finanzamt zu erreichen und Einspruch einzulegen.
Was genau droht Ihnen durch die Entscheidung des Finanzamtes?
Nach aktuellem Stand soll uns der Status bis 2021 rückwirkend, also bis zur letzten Prüfung, aberkannt werden. Der größte Vorteil der Gemeinnützigkeit ist die Steuererleichterung bei den Spenden. Da wir uns ausschließlich durch Hilfsgelder und Crowdfunding finanzieren, müssten wir für alle Spenden seit 2021 Steuern nachzahlen. Wir gehen von einem mittleren bis hohen fünfstelligen Betrag aus.
Wie sehr trifft Sie die Entscheidung?
Es ist kein Weltuntergang für uns. Aber es ist natürlich Geld, das fehlt. Ich wollte eigentlich mehr Leute einstellen. Das würde sich dann vorerst verzögern. Es gibt auch einige Projekte, die wir noch immer fest planen, aber die sich eventuell ein bisschen nach hinten verschieben könnten. Wir wollen mehr Content machen und mehr Medien bespielen. Ein Podcast ist in Planung und auch unsere App soll weiter ausgebaut werden. Auch Print ist eine Option, die wir uns offenhalten.
Wie waren die Reaktionen aus Ihrer Community nach der Verkündung?
Wir erhalten seit gestern enorm viel Zuspruch und Unterstützung. Die deutlichste Reaktion aber ist die hohe Anzahl an Spenden. Seit der Bekanntgabe haben wir so viele Zuwendungen erhalten, dass beinahe unsere gesamten Nachzahlungen gedeckt wären. Dafür einen großen Dank an unsere Community.
Wie wurde das Ende Ihrer Gemeinnützigkeit überhaupt begründet?
Das Finanzamt hat ein paar Gründe angedeutet, nur klingen sie für uns nicht nachvollziehbar. Zum Beispiel soll unsere Satzung nicht mehr der einer gemeinnützigen Vereinigung entsprechen. Dabei ist sie seit 2021 noch immer die gleiche. Auch hieß es, unsere Arbeit sei zu nah an der von Journalisten. Aber auch die hat sich in den letzten Jahren nicht verändert.
Volksverpetzer und Correctiv kämpfen für gemeinnützigen Journalismus
Wird sich die nach der Entscheidung des Finanzamtes ändern?
Nein. Unsere Erfahrung zeigt, dass wir mit unserer Arbeit viel Reichweite für Faktenchecks und Aufklärung generieren. Es wäre natürlich schade, wenn man die Gemeinnützigkeit verliert, nur weil es technisch gesehen irgendwelche nicht klar definierten Grenzen überschreitet. Deswegen fordern wir, dass die Bundesregierung jetzt die im Koalitionsvertrag versprochene Reform des Gemeinnützigkeitsgesetzes durchbringt und gemeinnützigen Journalismus fördert. Damit hätten wir deutlich mehr Rechtssicherheit – und es wäre möglicherweise gar nicht zur Aberkennung gekommen.
Was genau wünschen Sie sich von der Bundesregierung?
Im Koalitionsvertrag steht explizit drin, dass die Regierung eine Form von gemeinnützigem Journalismus einführen will. Mit unserer Aufklärung gegen Desinformation und Rechtsextremismus sehen wir uns unter diesem Begriff potenziell auch aufgehoben.
FS Demonstrationen gegen rechts16.44
Sie haben kritisiert, dass Ihnen Gelder entzogen werden, während eine in Teilen rechtsextreme Partei mit staatlichen Geldern finanziert wird. Kann man diesen Vergleich so ziehen?
Natürlich ist es gut, dass demokratische Parteien vom Staat gefördert werden. Wenn die AfD aber eine verfassungsfeindliche Partei sein sollte – ein Verdacht, den das jüngste Urteil in Münster bestätigt hat – dann besteht auch die Möglichkeit, ihr die Parteienfinanzierung zu entziehen. Ich finde es richtig, das zu prüfen. Es wäre ein Unding, wenn die Bundesregierung rechtsextremistische Verdachtsfälle direkt finanziert, aber Blogs, die über den Rechtsextremismus aufklären, keinerlei Unterstützung erhalten.
Ihre Petition für mehr Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus hat bisher über 30.000 Unterschriften erhalten. Was genau fordern Sie?
Die Petition wurde vom „Forum gemeinnütziger Journalismus“ ins Leben gerufen, bei dem unter anderem auch „Correctiv“ und „Katapult“ dabei sind. Zusammen fordern wir, dass die Bundesregierung die versprochene Reform endlich umsetzt, damit wir Rechtsicherheit haben und nicht länger von der Willkür der Finanzämter abhängig sind.