„Und der Haifisch, der hat Zähne“: Mit der berühmten Moritat von Mackie Messer aus der „Dreigroschenoper“ sind die Bad Hersfelder Festspiele eröffnet worden. Am zweiten Abend gibt es Broadway pur.
Mit minutenlangen Standing Ovations hat das Premierenpublikum die Aufführung der „Dreigroschenoper“ zur Eröffnung der Bad Hersfelder Festspiele gefeiert. Regisseur Michael Schachermaier hat die fast 100 Jahre alte Gangsterballade von Bertolt Brecht gründlich entstaubt und als modernes, bildgewaltiges Spektakel inszeniert. Wie angekündigt, bot das Ensemble eine „Big Show“. Der Ausflug in die Londoner Unterwelt, in der das Stück spielt, ist unterhaltsam, sexy und auch düster.
Allen voran zieht Simon Zigah als Ganove Mackie Messer das Publikum mit seiner starken Bühnenpräsenz in seinen Bann. An Zigahs Seite beeindrucken Gioia Osthoff als seine ausgefuchste Ehefrau Polly und Katharina Pichler als deren durchtriebene Mutter Celia mit ausdrucksstarkem Spiel. Da die „Dreigroschenoper“ ein stark von der Musik geprägtes Bühnenstück ist, mussten sie auch als Sängerinnen und Sänger zeigen, was in ihnen steckt – und haben das getan.
Der kurzfristig eingesprungene Oliver Urbanski überzeugt als korrupter Polizeichef Tiger Brown ungeachtet seiner knappen Vorbereitungszeit. Urbanski ersetzte den ursprünglich für diese Rollen vorgesehenen TV-Schauspieler Aljoscha Stadelmann, der nach Angaben der Festspielleitung aus familiären Gründen ausgefallen war.
Ein aus zahlreichen TV-Rollen bekanntes Gesicht bekamen die Zuschauerinnen und Zuschauer dennoch zu sehen: Anna Loos („Helen Dorn“, „Weissensee“) spielt in Bad Hersfeld die Prostituierte Jenny. Weil sie aber wegen anderer Engagements an 5 der 20 Aufführungstermine nicht in Bad Hersfeld sein kann, wird die Travestie-Künstlerin Lilo Wanders an diesen Tagen die Rolle der Jenny übernehmen.
Herausforderung: Riesenbühne
„Das Stück kennt fast jeder. Das ist einschüchternd und herausfordernd zugleich“, hatte Intendant Joern Hinkel vor der Aufführung gesagt. Für Regisseur Schachermaier war eine der größten Herausforderungen, das Brecht-Schauspiel an die riesige Bühne in der mittelalterlichen Kirchenruine anzupassen, in der die Festspiele aufgeführt werden. Dem Österreicher und seinen kreativen Bühnenbauern und Kostümbildnern und nicht zuletzt auch der Band ist es gelungen, dem Publikum ein kurzweiliges Theatererlebnis zu bescheren.
Bei all dem Spektakel gerät Brechts politische Botschaft – die Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft („Erst kommt das Fressen, dann die Moral“) und am Kapitalismus („Was ist ein Einbruch in einer Bank gegen die Gründung einer Bank“)- fast zum Nebenaspekt. Dafür gelingt es Schachermaiers „Big Show“ auch Menschen abzuholen, die keine Theaterprofis sind und die „Dreigroschenoper“ vielleicht zum ersten Mal auf der Bühne sehen.
Mitreißender Broadway-Klassiker
Auch bei der zweiten Premiere am Eröffnungswochenende spielt Musik eine entscheidende Rolle. In der schwungvollen und musikalisch wie visuell mitreißenden Inszenierung des Musicals „A Chorus Line“ gewährt das großartig aufspielende Ensemble dem Premierenpublikum einen Blick hinter die Kulissen des Theaterbetriebs und in die Hoffnungen, Träume und Ängste von Darstellerinnen und Darstellern. Regie führt Melissa King.
Die Geschichte um die Auswahl von Tänzern für eine Show gehört zu den bekanntesten Broadway-Musicals. Es wurde 1985 mit Hollywood-Star Michael Douglas in der Rolle des Regisseurs Zach verfilmt. Bei der Inszenierung in der hessischen Kurstadt übernimmt Arne Stephan die Rolle. Der 41-Jährige ist auch aus TV-Serien wie „In aller Freundschaft“, „Familie Dr. Kleist“ und „Tierärztin Dr. Mertens“ bekannt.
Geschickt setzt Kings Inszenierung auf visuelle Mittel wie Livebilder auf großen Videowänden, die Großaufnahmen der Darsteller übertragen oder „Zach“ zeigen, wie er an einem Arbeitspult mitten im Publikum sitzt und in Bewerbungsmappen blättert. Verschiebbare Spiegelelemente, die auch zu Klettergerüsten mutieren, sorgen für ständig neue optische Reize.
Fulminantes Finale reißt Publikum mit
Das Musical findet in einer fulminanten Abschlussszene ihren Höhepunkt, in der noch einmal alle Tänzerinnen und Tänzer – auch die im Casting gescheiteren – mit glitzernden Kostümen und den kultigen Zylindern in den Händen auf die Bühne dürfen und pure Broadway-Atmosphäre verbreiten. Die Inszenierung reißt das Premierenpublikum von den Sitzen, es gibt langen Schlussapplaus.
Mit mehr als 90 000 Besucherinnen und Besuchern im vergangenen Jahr gehören die Festspiele in der osthessischen Stadt zu den größten und traditionsreichsten in Deutschland. Sie enden in diesem Jahr am 18. August. Aufgeführt werden außerdem die Komödie „Der Vorname“, das Schauspiel „Wie im Himmel“ und für Kinder das Stück „Das kleine Gespenst“.
Bad Hersfelder Festspiele