Die Steuerbehörde von Merseburg in Sachsen-Anhalt hat dem „Institut für Staatspolitik“ des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek den Garaus gemacht. Antifa heißt nicht immer Schwarzer Block. Manchmal kommt sie auch auf dem Amtsschimmel daher – und ist dann besonders wirksam.
Das Finanzamt hat einen schlechten Ruf. Zu Unrecht. Man sollte seine zivilisatorische Schlagkraft nicht unterschätzen. So hatte zum Beispiel die amerikanische Polizei jahrelang versucht, Al Capone und seiner Bande das Handwerk zu legen. Vergeblich. Und wer hat ihn dann schließlich zur Strecke gebracht? Das Finanzamt. In romantisierenden Mafia-Filmen mag das bedauerlich scheinen. Aber letztlich muss man doch sagen: Eine Gesellschaft ohne Mafia ist einfach lebenswerter.
Jetzt hat sich wieder einmal die reinigende Kraft des Finanzamts gezeigt. Die Steuerbehörde Merseburg in Sachsen-Anhalt hat für die Auflösung des „Instituts für Staatspolitik“ des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek gesorgt. Hinter dem hochtrabenden Namen verbirgt sich ein faschistischer Propagandaverein, der seit langem der AfD als zuverlässiger Ideenlieferant dient – insbesondere ihren rechtsextremen Mitgliedern. So gestand Björn Höcke vor Jahren, er beziehe sein „geistiges Manna“ aus dem Institut im sachsen-anhaltinischen Schnellroda. Auch Alice Weidel und Maximilian Krah pilgerten schon zu Kubitschek. Die Denkfabrik des Chefstrategen einer „konservativen Revolution“ ist eng mit der Partei verflochten. So ist Institutsleiter Erik Lehnert Referent in der Brandenburger AfD-Fraktion.
Obwohl dieser Thinktank seit Jahren als gesichert rechtsextrem gilt, war er als gemeinnütziger Verein organisiert. Damit ist seit einiger Zeit Schluss. Denn die Finanzbehörde Merseburg entzog dem Verein im vergangenen Jahr endgültig die Gemeinnützigkeit – und das, obwohl es 2020 schon einmal mit einer solchen Entscheidung vor dem Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt gescheitert war. Das Finanzamt blieb also dran. Tapfer. Ein Hoch auf die legendäre deutsche Beamtensturheit.
Steuerbescheid: Keine Spendenquittung für Nazi-Sponsoren mehr
Durch diese Beharrlichkeit kann Kubitschek nun keine Spendenquittungen mehr für rechte Gönner ausstellen. Da wird es natürlich schwierig, Gelder für seine Nazipropaganda zu akquirieren. Denn selbst bei eingefleischten Rechten zählt Gesinnung nur, solange sie Steuern spart. Wenn Überzeugung wirklich etwas kostet, lässt man sie fallen. Also löste Kubitschek nun sein Institut auf.
In einem aktuellen Beitrag seines rechtsextremen Internetblogs „Sezession“ beschreibt Kubitschek, welche Folgen die Entscheidung des Merseburger Finanzamtes für ihn hatte: „Das Institut für Staatspolitik (IfS) existiert nicht mehr. Der Verein ist aufgelöst, alle Mitglieder sind ausgetreten, die Konten geschlossen, die Aufgaben erledigt oder neu verteilt. So ein Verein hat keinen Zweck mehr, wenn er seine Gemeinnützigkeit endgültig verloren hat und wenn ihn der Gegner durchlöchert hat wie eine Scheibe auf dem Schießstand.“
Nun ist Kubitschek allerdings noch nicht am Ende. Man kann vermuten, dass die Auflösung seines Vereins auch eine Strategie war, um einem Verbot zuvorzukommen. Auf jeden Fall möchte der Salonfaschist seine Propaganda-Aktivitäten weiterführen. Doch dazu muss er nun umstrukturieren, taktieren und lavieren. Kurz: Das Finanzamt hat einem Rechtsextremen das Leben schwer gemacht. Und das ist natürlich immer und überall zu begrüßen.
Die Feigheit der Faschisten
Vor allem aber zwingt die Behörde den rechten Vordenker Kubitschek zu offenbaren, wie feige Faschisten tatsächlich sind. In ihren dubiosen Instituten propagieren sie eine Ideologie des ehrenhaften Kampfes. Doch im Alltag treiben sie verlogene kleine Spielchen, um zu verheimlichen, dass sie in Wahrheit nichts anderes im Sinn haben, als die Demokratie zu zerstören. So hampelte Höcke stundenlang in Halle vor Gericht herum und versuchte glaubhaft zu machen, dass er Nazi-Parolen nur aus Versehen verwendet, oopsie. Und Kubitschek muss nun neue Finanzkonstruktionen für seinen Nazi-Zirkus basteln, als wäre er einer dieser steuermeidenden Kapitalisten, die er in seiner nationalsozialen Propaganda immer so geißelt.
Nach den Massendemonstrationen gegen rechts Anfang des Jahres fragten sich viele Menschen, wie man am besten einen nachhaltigen Widerstand gegen Antidemokraten etablieren könnte. Das Beispiel des Finanzamtes Merseburg zeigt eindrücklich, dass sauber arbeitende Institutionen einer der wirksamsten Schutzmechanismen gegen demokratiefeindliche Tendenzen sind.
Die Populisten und Faschisten wissen das. Das erklärt, warum sie all ihre Kräfte aufwenden, um staatliche Institutionen aller Art tagtäglich zu diskreditieren. Und die aktuellen Verunglimpfungen der Justiz durch Populisten und Rechtsradikale im Zuge all der anhängigen Prozesse gegen die AfD zeigen: Je mehr die Antidemokraten in Bedrängnis geraten, desto mehr versuchen sie, demokratische Institutionen zu demontieren. Ihre Propaganda wirkt: Das Vertrauen in staatliche Institutionen sinkt. Laut einer Umfrage von 2023 halten nur noch 27 Prozent der Befragten den Staat für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen. Besonders die Anhänger der AfD zweifeln an der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.
Öffentlicher Dienst als Sturmgeschütz der Demokratie
Doch wir sollten uns unsere Behörden nicht madig machen lassen. Ein zuverlässiges Beamtenwesen ist eines der sichersten Bollwerke der Demokratie. Selbst das so ungeliebte Finanzamt sollten wir nicht als schikanierende Behörde begreifen. Sondern als ehrbaren Garanten für ein funktionierendes Gemeinwesen.
Ein Hoch auf Institutionen wie Steuerbehörden, Gesundheitsämter, Ordnungsämter und all die anderen grauen Amtsstuben. Die ungeliebten Behörden können zu wahren Sturmgeschützen unserer Demokratie werden. Deswegen sollten wir darauf achten, dass sie finanziell und personell stets bestmöglich ausgestattet sind. Ein kaputtgesparter öffentlicher Dienst kommt eine Demokratie teuer zu stehen.
Die Rechtspopulisten wollen mit falschem Patriotismus verführen. Sie reden ihren Anhängern ein, es gäbe irgendeinen plausiblen Grund, stolz auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie zu sein. Aber einen solchen Grund gibt es nicht. Die Märchen von fiktiven Abstammungs- und Kulturgemeinschaften sind nichts als bösartige Werkzeuge zur Machteroberung. Die einzig vernünftige Art von Patriotismus ist der Kampf für funktionierende Institutionen – große und kleine. Habermas nannte das „Verfassungspatriotismus“.
Antifa muss nicht immer Schwarzer Block bedeuten. Manchmal galoppiert die Antifa auch mit fliegenden Einschreiben auf dem Amtsschimmel herbei. Manchmal vermummt sie sich nicht, sondern zieht ein ausgebeultes Sakko über und gibt’s dem Nazi schriftlich: „Du bist für dieses Gemeinwesen von keinem Nutzen! Mach dicht!“
Man möchte in all unsere Amtsstuben und Vereinsheime hineinrufen: Schöpft all Eure Mittel zur Bekämpfung der Antidemokraten aus! Lest Eure Satzungen! Studiert Eure Verordnungen! In Paragraph 12 der Kleingartensatzung steht, dass Fahnen auf dem gesamten Gebiet der Anlage verboten sind? Dann muss der Pächter, der in Parzelle 23 jeden Samstag den Reichsbanner hisst, eben gefeuert werden. Das Vereinsheim der Neonazis entspricht nicht den Brandschutzverordnungen? Dann muss das Ordnungsamt den Laden eben dicht machen, sorry, Herr Himmler.
Antifa ist überall: auf der Straße, im Karnevalsverein oder am Schöffengericht.