Das Landgericht Gera hat eine ehemalige Richterin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil sie während der Coronapandemie ihrem Vater, einem Pfarrer, Zugang zu einem Pflegeheim verschaffte. Das Thüringer Gericht sprach die Juristin am Freitag der Rechtsbeugung schuldig und verhängte gegen sie eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung, wie ein Gerichtssprecher mitteilte.
Der Vater hatte der Anklage zufolge im April 2020 in seiner Funktion als Pfarrer und Seelsorger in Jena eine Palliativpatientin in einem Pflegeheim besuchen wollen, was ihm von der Heimleitung unter Hinweis auf die Coronalage verwehrt wurde.
Als die damals 33-jährige Angeklagte als Bereitschaftsrichterin eingesetzt war, soll sie in Absprache mit ihrem Vater diesem auf dem Weg des einstweiligen Rechtsschutzes Zugang zu dem Pflegeheim verschafft haben. Zuvor habe sie ihn instruiert, wie der entsprechende Antrag verfasst sein muss.
Nach Überzeugung der Kammer wusste die Angeklagte damals, dass sie den Fall wegen des Verwandtschaftsverhältnisses zu ihrem Vater nicht hätte bearbeiten dürfen und als Tochter gesetzlich als befangen galt. Dadurch sei der Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt, weil sie um jeden Preis selbst die Entscheidung habe treffen wollen, um ihrem Vater einen Gefallen zu tun.
Die Staatsanwaltschaft beantragte, die ehemalige Richterin zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung zu verurteilen. Zudem forderten die Ankläger die Zahlung von 3000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Der Verteidiger der Angeklagten forderte Freispruch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.