Vor den Verhandlungen über wichtige Personalentscheidungen bei einem EU-Gipfel kommende Woche reist Ungarns rechtspopulistischer Regierungschef Viktor Orban am Montag zu Gesprächen mit der ultrarechten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nach Rom. Das teilte Orbans Sprecher Bertalan Havasi am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP mit, ohne Details zu nennen. Orban und Meloni dringen beide darauf, dass sich bei der Besetzung der Top-EU-Posten das Erstarken der Rechtsaußen-Parteien bei der Europawahl Anfang Juni niederschlägt.
Melonis Partei Fratelli d’Italia gehört der Rechtsaußen-Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) an, die im neuen EU-Parlament drittstärkste Kraft sein wird. Auch die Fidesz-Partei von Orban will der EKR beitreten, einige der in der Fraktion vertretenen Parteien wenden sich allerdings dagegen. Derweil streben Konservative, Sozialdemokraten und Liberale an, die Top-Jobs in der EU erneut unter sich aufzuteilen.
Bei dem EU-Gipfel kommende Woche Donnerstag und Freitag in Brüssel wollen die Staats- und Regierungschefs über drei Spitzenposten entscheiden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die bei der EU-Wahl als Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP) angetreten war, will ihren Job behalten. Als künftiger EU-Ratspräsident wird der frühere portugiesische Regierungschef António Costa als Vertreter der Sozialdemokraten gehandelt und für die Nachfolge des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell die estnische Regierungschefin Kaja Kallas aus dem Lager der Liberalen.
Bis 2021 hatten die Fidesz-Abgeordneten im EU-Parlament der EVP angehört. Wegen Vorwürfen, dass unter Orban die Demokratie in Ungarn ausgehöhlt wird, endete das Bündnis jedoch.
Am Dienstag traten die sechs Europaabgeordneten der Tisza-Partei von Orbans Rivalen Peter Magyar der EVP bei. Die Tisza hatte bei der Europawahl in Ungarn rund 30 Prozent der Stimmen errungen, Orbans Fidesz-Partei wurde mit 44 Prozent erneut stärkste Kraft – allerdings war es ihr schlechtestes Ergebnis in ihrer seit 14 Jahren währenden Regierungszeit.
Am 1. Juli übernimmt Ungarn turnusgemäß für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Zur Vorbereitung besucht Orban am Freitag Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin.
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