Der Weg für den bislang ersten Untersuchungsausschuss der neuen Wahlperiode des hessischen Landtags ist frei. Zuvor haben die Parlamentarier lange gerungen. Nun kündigt eine Fraktion eine Klage an.
Nach langem Streit hat der hessische Landtag einen Untersuchungsausschuss zur früheren Corona-Politik eingesetzt. Am Donnerstag stimmten in Wiesbaden die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP dafür. Die AfD enthielt sich, nachdem sie ihren ursprünglichen Antrag nicht hatte durchsetzen können, und kündigte an, daher vor den Hessischen Staatsgerichtshof zu ziehen.
Zum AfD-Antrag mit 43 Punkten hatte der Landtag zuvor auf Betreiben der übrigen Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP wegen verfassungsrechtlicher Bedenken mehrere Gutachten in Auftrag gegeben. Nach deren Lektüre kürzten diese vier Fraktionen in einem zusätzlichen Papier den Untersuchungsauftrag des Corona-Ausschusses auf lediglich sieben Punkte, die nach ihrer Auffassung mit der Verfassung vereinbar sind.
Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, sind mindestens 20 Prozent der Abgeordnetenstimmen nötig. Das sind im Wiesbadener Landtag 27 der 133 Abgeordneten. Die AfD-Fraktion besteht aus 26 Mitgliedern. Der fraktionslose Abgeordnete Sascha Herr unterstützte ihren Antrag. Die AfD-Parlamentarier hatten ihn einst nicht in ihren Reihen aufgenommen unter Verweis auf Kontakte zu Neonazis, die er selbst bestreitet.
AfD: Einschränkungen der Grundrechte
Nach früheren Angaben der AfD soll der Untersuchungsausschuss „sachliche Aufklärung“ nach „beispiellosen Grundrechtseinschränkungen“ in Corona-Zeiten leisten. Thematisiert werden sollen etwa der Lockdown, Impfungen und Maskenpflicht. Die übrigen Landtagsfraktionen kritisierten unter anderem, der AfD-Antrag fasse die Untersuchungsthemen zu weit und beziehe etwa auch Bundesbehörden ein, für die der hessische Landtag nicht zuständig sei.
Die vier Fraktionen beriefen sich daher auf Hessens Untersuchungsausschussgesetz. Hält der Landtag einen Einsetzungsantrag demnach teils für verfassungswidrig, sind die Untersuchungen des Ausschusses auf die Themen zu beschränken, die das Parlament für nicht verfassungswidrig hält. Der Landtag setzte das neue Gremium daher mit einem sogenannten Maßgabebeschluss ein.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Lisa Gnadl, sagte: „Es geht CDU, SPD, Grünen und Freien Demokraten nicht um politische Geländegewinne, es geht darum, der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Ordnung Geltung zu verschaffen.“ Die AfD habe sich zuvor geweigert, nach entsprechender Aufforderung ihren Einsetzungsantrag verfassungskonform zu gestalten. Wer vom Landtag verlange, „einem solchen Antrag gegen Recht und Gesetz zuzustimmen, der dokumentiert ein zweifelhaftes Verfassungsverständnis und mangelnden Respekt vor dem Rechtsstaat und seinen Regeln“, urteilte Gnadl.
Grüne: Zusammenarbeit mit Neonaziszene
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Miriam Dahlke, warf der AfD mit Blick auf die Unterschrift von Herr unter ihrem Antrag vor, nicht davor zurückzuschrecken, „mit der Neonaziszene zusammenzuarbeiten“.
Oliver Stirböck, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, erklärte: „Während der Corona-Pandemie hat der Staat bei mancher Maßnahme die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Im Untersuchungsausschuss darf es aber nicht um Rache oder nachträgliche Klugscheißerei gehen.“ Vielmehr gelte es, aus den Erfahrungen der Pandemie für die Zukunft zu lernen.
Von einem bislang „bundesweit einmaligen Verfahren“ und juristischem Neuland bei diesem Weg zu einem Untersuchungsausschuss sprach der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Ingo Schon. Die Verfassung zwinge dazu, ihn zu beschreiten.
AfD kündigt Widerstand an
Volker Richter, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, urteilte: „Die wenigen Fragen, die für den Corona-Untersuchungsausschuss übrig geblieben sind, werden das Bedürfnis der hessischen Bürger nach Aufklärung der Corona-Politik nicht befriedigen können. Zum Beispiel soll das Thema Schulschließungen nicht behandelt werden.“ Das sei „nur noch der Schatten eines Corona-Untersuchungsausschusses“. Vor dem Staatsgerichtshof will die AfD laut Richter erreichen, „dass möglichst viele unserer ursprünglich 43 Untersuchungspunkte behandelt werden können“. Die AfD stützte sich bei ihrer bisherigen Argumentation auf ein Gegengutachten, das sie in Auftrag gegeben hatte.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kann zum Beispiel Zeugen auch unter Eid aussagen lassen. Er gilt als das „schärfste Schwert der Opposition“, schon weil ihn eine parlamentarische Minderheit durchsetzen kann, wenn der entsprechende Antrag verfassungskonform ist.
Hessisches Untersuchungsausschussgesetz