Zwischen der EU und China schwelt ein Handelskonflikt – und inmitten dieser angespannten Lage reist Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Ostasien. Seine fünftägige Reise führt ihn zuerst nach Südkorea und am Freitag nach China. Dort will er Gespräche „über faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen“ führen, wie er am Mittwoch betonte. Im Zentrum der heiklen Mission in Ostasien steht der Streit um drohende EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos.
Die EU-Kommission hatte die höheren Zollsätze auf in China produzierte E-Autos vergangene Woche angekündigt. Die Brüsseler Behörde war in einer seit Herbst laufenden Wettbewerbsuntersuchung zu dem Schluss gekommen, dass batteriebetriebene Elektrofahrzeuge in China von einer „unfairen Subventionierung“ profitieren. Dadurch drohe den EU-Herstellern „eine wirtschaftliche Schädigung“.
Brüssel räumte Peking auch auf Drängen der Bundesregierung noch eine Schonfrist ein: Zunächst soll mit chinesischen Behörden und Unternehmen noch über die Zollerhöhungen verhandelt werden. Anfang Juli könnten die neuen Zollsätze dann unter bestimmten Bedingungen greifen.
Ein Sprecher von Habeck stellte Ende der vergangenen Woche klar, dass die EU-Kommission beim Thema Zölle die Verhandlungen führe. Das sei „ganz klar zu trennen“. Jedoch: „Natürlich wird der Minister gar nicht umhinkommen, auch auf dieses Thema einzugehen.“
Doch dieses Thema ist heikel. China drohte als Reaktion bereits mit Maßnahmen zur Beschränkung von Schweinefleischimporten. Außerdem erwägt das Land eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) wegen der drohenden EU-Zölle.
Habeck unterstrich vor seiner Abreise die wichtigen Beziehungen zu China. Die Volksrepublik sei ein „unverzichtbarer Partner bei globalen Herausforderungen“ wie dem Klimawandel und ein „wichtiger geopolitischer Akteur“ bei Sicherheitsfragen – etwa beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. China stellt sich im Ukraine-Krieg als neutrale Partei dar, hat den russischen Angriffskrieg aber nie verurteilt.
Zugleich habe das Land „für viele deutsche Unternehmen weiterhin eine große Bedeutung als Produktionsstandort, Innovationszentrum und als Beschaffungs- und Absatzmarkt“, erklärte Habeck. „Deshalb ist es wichtig, dass wir im Gespräch bleiben und auch über faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen sprechen.“ Schwieriges Thema vor Ort dürfte auch die Menschenrechtslage in China sein.
Zunächst reist der Minister nach Südkorea. Mit diesem Land „verbindet uns eine enge Wertepartnerschaft“, so der Wirtschaftsminister. Südkorea sei der zweitwichtigste Exportmarkt in Asien nach China und technologisch weit fortgeschritten. „Unser Ziel ist, die Zusammenarbeit bei Wirtschaft, Wirtschaftssicherheit und Klima zu vertiefen und neue Potenziale zu erschließen.“
Habeck startet seine Reise in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul und will sich dort mit Regierungschef Han Duck Soo und Handelsminister Ahn Dukgeun treffen. Begleitet wird der Vizekanzler von mehreren Parlamentariern sowie Unternehmensvertretern aus dem deutschen Mittelstand – darunter auch aus der Automobilindustrie.
Ab Freitag ist Habeck in China: In der Hauptstadt Peking sowie in Shanghai und Hangzhou stehen unter anderem Gespräche mit Handelsminister Wang Wentao und Industrieminister Jin Zhuanglong auf dem Programm, außerdem Unternehmensbesuche und ein Austausch mit Studierenden. Habeck will sich in beiden Ländern auch mit Vertreterinnen und Vertretern der EU sowie vor Ort aktiven deutschen und europäischen Unternehmen treffen.
Die deutsche Autoindustrie hofft, dass die angekündigten höheren EU-Zölle auf E-Autos aus China noch mit einer Verhandlungslösung abgewendet werden können – sie fürchtet steigende Preise für Elektroautos in Europa. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist gegen Strafzölle und befürwortet ungehinderte Exportgeschäfte.
Kritik an der China-Politik der Regierung kam nun von dem Wirtschaftswissenschaftler und Regierungsberater Jens Südekum. „Es würde keinen Sinn ergeben, chinesische Subventionen zuerst nachzuweisen, um sie danach einfach hinzunehmen, weil wir Angst haben“, sagte er der „Zeit“. Durch die Autoimporte aus China seien 700.000 Industriejobs allein in Deutschland bedroht.
Der Widerstand deutscher Autobauer sei zwar nachvollziehbar, denn sie fürchteten eine Spirale der Zollerhöhungen. „Aber das sollte nicht die Logik sein, nach der der Staat Wirtschaftspolitik betreibt“, sagte Südekum, der Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums ist. „Wenn Chinas Kampfpreise die hiesigen Hersteller und ihre Zulieferer demolieren, führt das zu massiven Verwerfungen in der Gesellschaft.“