Viele Hotelseifen landen kaum benutzt im Müll. Ein Verein will die Verschwendung stoppen. Er recycelt gebrauchte Seifen. Das hilft nicht nur der Umwelt.
Dreimal von jeder Seite lässt Kristian Steko die grüne Seife über einen Hobel fahren. Dann reicht er das Stück an seine Kollegin weiter, die die Ränder gründlich mit einem Gemüseschäler bearbeitet. Unter einer großen Lupe kontrolliert eine weitere Kollegin das Ergebnis: Kein Schmutz, kein Haar darf mehr an der Seife haften. Denn die Seifen auf dem Tisch stammen aus Hotels und sind alle schon benutzt. Im Seifen-Werk der Lebenshilfe in Nürnberg sollen aus ihnen Neue entstehen.
In vielen Hotelzimmern liegen kleine, verpackte Seifenstücke. Die Gäste nutzen diese meist nur wenige Male, dann landen sie im Müll. Aus hygienischen Gründen dürfen die Seifen nicht für die nächsten Gäste am Waschbecken liegen bleiben. Dort setzt der gemeinnützige Verein SapoCycle an. Bernise Rivière und Astrid Leutner haben ihn Anfang des Jahres nahe München als deutschen Ableger der gleichnamigen Non-Profit-Organisation in der Schweiz gegründet. Auch in Frankreich gibt es einen Ableger.
Millionen Seifen landen im Müll
Das Ziel der beiden Frauen: die Umwelt schützen und gleichzeitig Bedürftigen helfen. „Täglich werden tatsächlich mehr als 5 Millionen feste Hotelseifen in den Müll geschmissen weltweit“, sagt Astrid Leutner. Aktuelle Zahlen für Deutschland liegen laut dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga nicht vor. Bei laut Dehoga rund 44.000 umsatzsteuerpflichtigen Beherbergungsbetrieben in Deutschland dürfte aber einiges zusammenkommen.
Rund 30 Hotels in Deutschland arbeiteten schon mit SapoCycle zusammen, erläutert Bernise Rivière. Rund 700 Kilogramm Seife seien dadurch in den zurückliegenden sechs Monaten recycelt worden, finanziert von den Hotels und über Spenden.
Arbeit für Menschen mit Beeinträchtigungen
Davon profitieren auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seifen-Werkstatt in Nürnberg, die Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigt. Das für das Recycling zuständige Team sei seitdem voll ausgelastet, erzählt Vertriebsleiter Helmut Mackert. Vorher hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischendurch andere Arbeiten übernehmen müssen. Doch nun sei so viel zu tun, dass es Überlegungen gebe, eine Maschine zu entwickeln, die das Team unterstütze.
Besonders aufwendig ist es, die obersten Schichten der Seifen abzutragen. Neben dem Arbeitsplatz von Kristian Steko stapeln sich grüne Seifen in einer Kiste, unter seinem Hobel türmen sich die Seifen-Späne. Die auf diese Weise gereinigten Seifen werden in einem Hochleistungsmixer zu Mehl zermahlen. Vermischt mit destilliertem Wasser wird dieses erst zu einer an Nudeln erinnernden Masse gepresst und dann zu neuen Seifen geformt, mal in Grün, mal in Weiß oder einer anderen Farbe – abhängig von der Ausgangsseife.
Mehr als 500 neue Seife sind so entstanden, die SapoCycle über die Tafeln oder die Nürnberger Stadtmission an Bedürftige verteilen lässt. Er freue sich, dass er mit seiner Arbeit etwas Gutes für Menschen tun könne, die sich Seife nicht leisten könnten, sagt Kristian Steko. „Das macht mich glücklich.“
Sauberkeit als Luxus
Sich die Hände oder den Körper nicht mit Seife waschen können – das verbindet man eher mit ärmeren Ländern. Diese hat deshalb die Organisation Clean The World vor allem im Blick. Sie recycelt nach eigenen Angaben Seife aus mehr als 8000 Hotels weltweit und spendet diese über Hilfsorganisationen an Menschen in Ländern, in denen viele Menschen an Atemwegsinfektionen wie Lungenentzündung oder Durchfallerkrankungen wie Cholera sterben.
SapoCycle setzt den Fokus dagegen bewusst auf Hilfsprojekte in der Nähe – um den C02-Fußabdruck durch kurze Transportwege möglichst gering zu halten und weil der Bedarf auch in Deutschland groß ist, wie die Gründerinnen erläutern. Allein in München gebe es 17 Ausgabestellen der Tafeln, in denen auch Hygieneprodukte verteilt werden, sagt Astrid Leutner. „Also das wird immer unterschätzt, und die Menschen trauen sich das auch nicht zu sagen: „Ich kann mir keine Seife kaufen.““
Seifen im Hotel bald Auslaufmodell?
Viele Hotels setzen der Dehoga zufolge auf mehr Nachhaltigkeit und verwenden inzwischen große Spender für Pflegeprodukte. Dass Hotels aus Umweltgründen ganz auf Kosmetik auf den Zimmern verzichten, ist aber eher unwahrscheinlich. Zumindest Shampoo und Waschgel seien bei Hotels ab dem ersten Stern Pflicht, erläutert die Dehoga-Sprecherin.
Seifenstücke und andere Kosmetikprodukte, die nur für eine Zimmerbuchung bestimmt sind, gehören ihr zufolge jedoch bald der Vergangenheit an: Ab 2030 verbietet das die EU-Verpackungsverordnung.
Dass SapoCycle dann die Arbeit ausgeht, befürchtet Leutner nicht. „Wo gewaschen wird, braucht es auch Seife. Es wird immer Reste zum Recyceln geben – in welcher Form auch immer.“