Seit Jahren kämpft Wikileaks-Gründer Julian Assange gegen seine Auslieferung an die USA. Nun könnte der Rechtsweg in Großbritannien ausgeschöpft sein.
In London hat der wohl entscheidende Gerichtstermin um eine Auslieferung von Julian Assange an die USA begonnen. Der Wikileaks-Gründer, der seit Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in der britischen Hauptstadt festgehalten wird, nahm nicht selbst an der Anhörung vor dem High Court teil.
Seine Ehefrau Stella Assange und sein Vater John Shipton waren hingegen im Gerichtssaal dabei, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur beobachtete. Vor dem Gericht demonstrierten Anhänger Assanges für seine sofortige Freilassung.
Sollte das Gericht dem Berufungsantrag des 52-Jährigen stattgeben, dürfte das jahrelange juristische Tauziehen zunächst weitergehen. Im Falle einer Ablehnung droht Assange eine baldige Auslieferung.
Die US-Regierung will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Ihm drohen nach Angaben seiner Unterstützer bis zu 175 Jahre Haft. Washington wirft ihm vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer hingegen sehen in der Strafverfolgung eine Vergeltungsaktion Washingtons, weil durch die Veröffentlichungen mutmaßliche Kriegsverbrechen aufgedeckt wurden.
Letzte Instanz wäre in Straßburg
Sollte das Gericht dem Berufungsantrag stattgeben, dürfte das jahrelange juristische Tauziehen zunächst weitergehen. Im Falle einer Ablehnung droht Assange eine baldige Auslieferung. Zumindest in Großbritannien wäre der Rechtsweg dann ausgeschöpft. Assanges Team will in diesem Fall den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen. Doch ob dieser eine einstweilige Verfügung erlassen würde, um die Auslieferung zu stoppen, und ob Großbritannien diese beachten würde, gilt als ungewiss.
Inhaltlich geht es am Montag darum, ob sich Assange in den USA als ausländischer Staatsbürger auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen kann und ob ihm die Todesstrafe droht. Die Richter hatten die Entscheidung über den Berufungsantrag bei einer zweitägigen Anhörung Ende März zunächst vertagt und Zusicherungen aus den USA angefordert. Nun geht es darum, ob diese Zusicherungen ausreichend sind oder ob es zu einer Berufungsverhandlung kommt.
Assanges Frau Stella fürchtet im Fall einer Auslieferung wegen der erwarteten harten Haftbedingungen in den USA und der labilen Psyche ihres Mannes um sein Leben. Suizid-Gefahr war auch der Grund, warum eine Richterin in erster Instanz die Auslieferung zunächst abgelehnt hatte. Doch die Entscheidung wurde später gekippt. Die britische Regierung stimmte seiner Auslieferung zu. Stella Assange zufolge wäre es denkbar, dass das Gericht an diesem Montag auch direkt inhaltlich über den Berufungsantrag entscheidet.
Gibt es womöglich eine politische Lösung?
Neben einem möglichen Berufungsverfahren dürften Assanges Unterstützer ihre Hoffnungen vor allem auf eine politische Lösung setzen. Die australische Regierung setzt sich inzwischen für eine Freilassung ihres Staatsbürgers ein. Erst kürzlich verabschiedete das australische Parlament einen Beschluss, in dem die USA und Großbritannien aufgerufen wurden, die Strafverfolgung Assanges zu beenden. Regierungschef Anthony Albanese betonte, die Angelegenheit ziehe sich schon zu lange hin.
Etwas Hoffnung bei Assange-Anhängern weckte US-Präsident Joe Biden kürzlich. Der hatte auf die Frage, ob die australische Forderung nach einem Ende der Strafverfolgung geprüft werde, gesagt: „Wir erwägen das.“ Albanese nannte die Äußerung „ermutigend“.
Assange sitzt seit beinahe fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen. Er sitzt inzwischen ohne eine Verurteilung im Gefängnis. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker fordern Assanges sofortige Freilassung.