Möpse sind beliebt – doch viele röcheln und schnaufen. Denn in der Hundezucht gilt ein Mops mit extrem kurzer Nase als Standard. Die „Züchtergemeinschaft für den Retromops“ will das ändern und gesündere Hunde züchten. Ein Interview mit Zuchtbuchführerin Birgit Schröder.
Frau Schröder, was bitte ist ein Retromops?
Das ist ein Mops, der so ähnlich aussieht wie der Mops von früher, den man vielleicht noch von alten Bildern oder Stichen kennt: Vor 80 oder 100 Jahren waren Möpse hochbeiniger, sie hatten im Kopf liegende Augen und nicht so hervorquellende wie heute. Und vor allem hatten sie eine längere Schnauze. So in der Art können Sie sich einen Retromops vorstellen.
Warum züchten Sie solche etwas altmodischen Möpse?
Weil sie gesünder sind und man mit ihnen laufen, spielen und toben kann. Als ich 2007 meinen ersten Retromops gekauft habe, hatte ich schon einen Großen Schweizer Sennenhund und suchte nach einem zweiten, kleineren Hund. Der Retromops mit etwas längerer Schnauze hatte mir immer gut gefallen. Ich bin damals viel ausgeritten und suchte einen Hund, der eher pazifistisch veranlagt ist und gut neben einem Pferd laufen kann. Friedfertig ist der Mops auf jeden Fall, aber ich wusste: Ein Standardmops konnte mich nicht bei dem begleiten, was ich tue.
Weil ihm schnell die Luft ausgeht?
Genau. Der Standardmops von heute ist übertypisiert auf ein plattes Gesicht, das dem Kindchenschema entspricht. Diese Kurzköpfigkeit oder „Brachyzephalie“ verengt aber die Atemwege. Deshalb röcheln und schnarchen viele Möpse, können nicht toben und haben auch bei Hitze Probleme.
Es gibt inzwischen sogar spezialisierte Hundechirurgen, die routinemäßig Möpsen das Gaumensegel verkleinern und die Nasenlöcher vergrößern, damit sie besser Luft bekommen…
Genau, und so einen Hund wollte ich nicht. Ich wollte einen Mops, den man beim Atmen nicht hört, der nicht schon röchelt, wenn man die Tür aufmacht zum Gassi gehen, und der im Sommer nicht bei Hitze umfällt. 2007 stieß ich auf das Projekt Retromops und habe mir dann eine solche Hündin gekauft: „Muffin“ war unheimlich freundlich – und sie konnte drei Stunden ohne Probleme neben dem Pferd mitlaufen.
Mir ihr habe ich angefangen zu züchten. Zu Beginn gab es nur zwei oder drei Retromopszuchten in ganz Deutschland, 2008 bin ich dann dazugestoßen und habe mehrere Jahre das Zuchtbuch der „Züchtergemeinschaft für den Retromops“ geführt. Heute sind wir zwölf Züchterinnen und Züchter, Tendenz steigend.
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Wie züchtet man denn Retromöpse?
Die größte Herausforderung ist die Nase: Man muss Hunde finden, die wieder mehr Nase vererben. Mit den Möpsen von heute geht das nicht: Wenn Sie zwei kurzschnauzige Hunde miteinander verpaaren, kann das Gesicht auch nur wieder „platt“ werden. Da kommt keine Nase.
Ich habe damals lange gesucht und dann für meine „Muffin“ einen Mopsrüden gefunden, der topfit war und eine ausreichende Schnauzenlänge hatte. Der wurde der Vater unserer ersten Welpen.
Sie kreuzen aber auch andere Hunderassen ein.
Wir sind ähnlich vorgegangen wie die Mopszüchter nach dem 2. Weltkrieg: Damals gab es kaum noch Möpse, also hat man aus der Not heraus angefangen, auch Pinscher mit in die Zucht zu nehmen. Wir haben uns am Anfang auch gefragt: Welche Rassen können wir einkreuzen, damit die Welpen gesünder sind und eine längere Nase bekommen. Wir haben uns zuerst für den Parson Russell Terrier und den Pinscher entschieden, der bei den Standardmöpsen ohnehin nach dem Krieg eingekreuzt war.
Nachwuchs-Mops aus der Hundezucht von Birgit Schröder: Dieser Welpe aus der Retromopszucht vom Johannisberg zeigt gute Anlagen für mehr Luft: längere Schnauze, wenig Nasenfalte und offene Nasenlöcher
© Birgit Schröder / Züchtergemeinschaft für den Retromops
Sehen Ihre Retromöpse dann überhaupt noch aus wie Möpse?
Wenn Sie einen Pinscher oder Terrier mit einem Mops verpaaren, sind die Welpen zunächst eine Mischung aus beidem. Das sieht man auch. Danach züchtet man über Generationen weiter mit passenden Möpsen, so dass der Anteil der anderen Hunderasse wieder sinkt.
Regelmäßig muss man dann wieder Hunde aus anderen Rassen einkreuzen, sonst verliert sich die Nase wieder. Als dritte Rasse haben wir später noch den Beagle dazu genommen. Und richtig in Schwung kam das Thema Retromops mit der Gesetzesänderung in den Niederlanden.
Was war da los?
Vor etwa fünf Jahren führte das Landwirtschaftsministerium dort neue Regeln für die Hundezucht ein. Für mehrere Hunderassen, auch für den Mops, wurde eine Mindest-Schnauzenlänge vorgeschrieben, gemessen in Zentimetern. Die niederländischen Züchter bekamen eine Frist von den Behörden gesetzt, mussten also schnell handeln.
Ich hatte damals Besuch von den Niederländern, sogar offiziell vom niederländischen Unterverband des FCI. Der FCI ist der Internationale Dachverband für die Hundezucht. Am Ende hat man in den Niederlanden einen ähnlichen Weg eingeschlagen wie wir, um den Mops aus der Misere zu holen. Sie kreuzen dort sogar noch weitere Rassen ein: den englischen Patterdale Terrier und den Shiba Inu, eine japanische Rasse. Das haben wir wiederum von den Niederländern übernommen.
Wie finden die deutschen Mopszüchter den Retromops?
Als wir angefangen haben, in die Öffentlichkeit zu gehen, sind wir sehr angefeindet worden: Unsere Zucht sei Geldmacherei, und wir würden dem ahnungslosen Verbraucher „irgendwelche Chimären“ aufschwatzen, war noch das Harmloseste. Der Retromops der Züchtergemeinschaft ist inzwischen vom Patentamt als „ZG Retromops“ geschützt“. Aber vom Zuchtverband VDH, dem Verband für das Deutsche Hundewesen, ist er nicht als Rasse anerkannt.
Mittlerweile sprechen uns auch Standardmops-Züchter an, die die genetische Verarmung in der Rasse erkannt haben. Aber zu einer echten Zusammenarbeit ist es bisher nicht gekommen.
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Droht das Schicksal der genetischen Verarmung auch anderen Hunderassen?
Die Verarmung des Genpools mit dem Risiko, dass sich Gendefekte häufen können, erwartet im Prinzip jede Hunderasse. Das ist ähnlich wie bei einem Adelsgeschlecht, wo man ständig untereinander heiratet. Oder wenn Sie sich 50 Mäuse auf einer Insel vorstellen: Irgendwann haben Sie Tausende von Mäusen, aber die sind sich genetisch fast so ähnlich wie Geschwister. So etwas wollen wir beim Retromops durch gezieltes Einkreuzen ändern.
Das empfinden Züchter und Züchterinnen reinrassiger Hunde aber vermutlich als Zumutung, oder?
Sicher, aber Einkreuzen war früher gang und gäbe: Als Hunde noch Gebrauchshunde waren, wurden immer mal wieder andere Rassen eingesetzt, um die Tiere vitaler oder leistungsfähiger zu machen. Geschlossene Zuchtbücher, in denen alle Tiere stehen, die untereinander verpaart werden dürfen, gibt es erst, seit es das Ausstellungswesen gibt. Seitdem gilt „reinrassig“ als besonders wertvoll, als eine Art Zeichen von besonderem Adel und von Qualität.
Genetiker und Tierärzte kritisieren schon länger, dass die auf einer Hundeschau prämierten Rüden auch besonders oft für die Zucht eingesetzt werden. Was die Inzucht leider noch verstärkt. Deshalb lehnt unsere Züchtergemeinschaft auch das Schauwesen ab. Wir glauben nicht, dass man die züchterische Güte eines Hundes anhand einer Ausstellung messen kann.
Was wünschen Sie dem Mops für die Zukunft?
Der wichtigste Punkt ist die Öffnung der Zuchtbücher, und zwar dergestalt, dass man nicht nur Möpse von anderen Vereinen zulässt, was zum Teil schon akzeptiert wird, sondern auch andere Hunderassen.
Aus meiner Sicht steht die Hundezucht, egal welche Rasse es betrifft, früher oder später vor der Frage: Lassen wir die Rasse zugrunde gehen, weil wir mittlerweile genetisch so eng aufgestellt sind – oder lassen wir ab und zu mal einen Hund aus einer anderen Rasse zu – um am Ende gesunde Welpen zu verkaufen.