Lars T. ist frischer Single und fragt sich, ob er seinen vorzeitigen Samenerguss bei einer möglichen neuen Partnerin ansprechen sollte. Julia Peirano ermutigt ihn, ehrlich zu sein und Alternativen zur Penetration auszuprobieren.
Guten Tag Frau Peirano,
ich bin ein 32-jähriger Mann. Vor kurzem haben sich meine Freundin und ich im Guten getrennt. Wir waren sechs Jahre ein Paar. Davor hatte ich eine erste Beziehung, die fünf Jahre gedauert hat.
Seit ich sexuell aktiv bin, leide ich unter einer vorzeitigen Ejakulation. Ich verwende bewusst das Verb „leiden“, denn phasenweise macht mich dieser Umstand sehr traurig, wütend, ohnmächtig und auch neidisch (auf andere Männer!). Ich komme eigentlich immer innerhalb von 10 bis 20 Sekunden nach dem Eindringen oder schon während des Vorspiels.
Ich habe bereits viel ausprobiert, um zu lernen, den Orgasmus ein wenig hinauszuzögern, beispielsweise die Start-Stop-Technik, die Squeeze-Technik oder den Einsatz von speziellen Kondomen. Ebenfalls habe ich im Rahmen von Psychotherapie über mögliche tieferliegende Gründe gesprochen.
Wirklich geholfen haben mir nur Antidepressiva. Zweimal in meinem Leben musste ich aufgrund von einer Depression und Ängsten ein Antidepressivum einnehmen. Die verschriebenen SSRI haben eine ejakulationsverzögernde Wirkung. Zu den Zeitpunkten, als ich meine beiden Ex-Freundinnen kennenlernte, nahm ich jeweils ein Antidepressivum und habe es im Laufe der Beziehung abgesetzt. Beim Kennenlernen und in der Anfangszeit der Beziehung bestand die frühzeitige Ejakulation also nicht. Als ich das Medikament schrittweise absetzte und wieder sehr schnell zum Orgasmus gekommen bin, war das weder für die erste noch für die zweite Freundin ein Problem. Die Trennungen hatten nichts mit der Sexualität zu tun. Mir ist deshalb bewusst, dass ein früher Orgasmus nicht für alle Frauen ein Problem darstellt. Es geht mir in meiner Frage aber auch explizit nicht um mögliche sexualtherapeutische Interventionen.
Im Moment habe ich noch keine Lust, neue Frauen kennenzulernen. Irgendwann wird dieser Wunsch aber sicherlich zurückkommen. Im Wissen um meinen frühzeitigen Orgasmus habe ich großen Respekt davor, mich körperlich auf eine Frau einzulassen. Einerseits mache ich mir Sorgen, die Frau zu enttäuschen. Andererseits habe ich auch Angst, ausgelacht oder beschämt bzw. mit einer Reaktion konfrontiert zu werden, die mich verletzen würde. Ich habe mich daher gefragt, wie ich beim Daten mit diesem Thema umgehe sollte.
Ich sehe folgende Möglichkeiten:
Ich spreche das Thema beim Kennenlernen an. Natürlich nicht bei einem ersten Treffen, sondern erst, wenn ich den Eindruck habe, es bestehe ein beiderseitiges Interesse und der Zeitpunkt passt (aber bevor etwas Körperliches passiert). Dabei frage ich mich allerdings, ob dies nicht unattraktiv wirken würde. Zudem wüsste ich nicht, wie genau ich das Thema angehen sollte.Ich spreche vorher nicht über das Thema. Kommt es zum Sex, wird die Frau dies merken. Bei diesem Vorgehen würde ich mich allerdings sehr unwohl fühlen!
Was sind Ihre Gedanken dazu? Haben Sie eventuell auch Anregungen, wie ich die rasche Ejakulation besser zu akzeptieren lerne? Ohne dauernde Einnahme eines Medikaments, was ich nicht möchte, wird die frühzeitige Ejakulation nicht verschwinden, weshalb ich die Akzeptanz meiner Sexualität als sehr wichtig erachte.
Im Idealfall schaffe ich es, den schnellen Orgasmus nicht mehr als Problem zu betrachten, sondern als einen Teil von mir, den ich vielleicht nicht unbedingt gut finde, der aber zu mir gehört.
Viele Grüße und danke
Lars T.
Lieber Lars T.,
ich kann mir vorstellen, dass Sie unter dem schnellen Orgasmus sehr leiden und dass dadurch auch ein Teufelskreis entsteht (ähnlich wie bei Panikattacken, Erröten oder anderen Angstsymptomen): Sie befürchten schon vorher, dass es wieder zu einem vorzeitigen Orgasmus kommen könnte und dadurch steigen bei Ihnen die Anspannung und Angstkurve an. Sie können sich nicht mehr entspannen und so kommt es wie vorher befürchtet zu einem vorzeitigen Samenerguss – was beim nächsten Mal zu noch mehr Erwartungsangst führt. Und so drehen Sie sich im Kreis und Sie finden nicht hinaus.
Sie fragen ausdrücklich nicht nach sexualtherapeutischen Interventionen. Dennoch möchte ich Ihnen empfehlen, mal zu einem Urologen zu gehen und die Thematik zu besprechen. Einige meiner Patienten haben mit einem entsprechenden Medikament zur Unterstützung der Erektion ihre Erektions- und vorzeitigen Samenerguss-Probleme vollständig und langfristig heilen können, unter anderem, weil durch das Medikament der Teufelskreis unterbrochen wurde.
Sie fragen explizit danach, wann Sie das Thema mit einer zukünftigen Partnerin ansprechen könnten. Ich denke, dass die zweite Variante, der Frau vorher nichts zu sagen, für Sie und für die Frau unangenehm werden könnte. Sie wahren ein Geheimnis, in das Sie die Frau nicht einweihen und sie auch ein Stück weit hintergangen wird. Dadurch erhöht sich der Druck bei Ihnen und der vorzeitige Samenerguss ist nahezu programmiert.
Gute Beziehungen basieren auf Vertrauen, und deshalb ist ganz klar die erste Variante die einzig richtige. Den Zeitpunkt, es erst anzusprechen, wenn Sie sich bereits körperlich nähergekommen sind, finde ich gut. Lassen Sie sich und ihr doch viel Zeit, um einander näherzukommen und dabei auch über Vorlieben oder Abneigungen zu sprechen. Es wäre hier wichtig, die Bedürfnisse der Frau anzusprechen und zu hören, was sie beim Sex besonders mag und was nicht.
Sprechen Sie bei diesem Beisammensein am besten Ihr sexuelles Thema offen an und fragen Sie die Frau, worauf es für sie beim Sex ankommt. Sicher wird es Ihnen helfen, wenn Sie auch sagen, dass das Thema Ihnen unangenehm ist und es Sie belastet. Dann weiß die Frau ganz deutlich, dass Sie sanft und mitfühlend mit Ihnen umgehen sollte.
Für einige Frauen ist die Penetration das Nonplusultra und sie können nicht durch Berührung mit der Hand oder dem Mund zum Höhepunkt kommen. Anderen Frauen ist die eigentliche Penetration aber nicht so wichtig, sie bevorzugen sogar Befriedigung mit der Hand oder dem Mund, erotische Massagen sowie Innigkeit und Intimität. Und es gibt Frauen, die insgeheim oder offen sogar erleichtert und froh wären, wenn eine Penetration gar nicht stattfindet. Hier wäre es bestimmt ein wichtiger Schritt, die in sexueller Hinsicht passende Partnerin zu finden.
Es gibt viele Wege, sich nah zu sein und zum Höhepunkt zu kommen, und Penetration ist nur einer davon. Haben Sie schon einmal daran gedacht, erotische oder tantrische Massagen zu erlernen, möglicherweise auch gemeinsam mit einer Partnerin?
Ich glaube, dass ich für alle Frauen spreche, wenn ich sage, dass das wichtigste ist, dass Sie mit der Frau in emotionalem Kontakt bleiben, auch wenn Sie gerade in Ihrem Kopfkino oder schon gekommen sind. Wenn Sie sich voller Scham und Selbstzweifeln von ihr abwenden und damit aus dem Kontakt gehen, schadet das der Beziehung garantiert. Also ist hier das offene Gespräch und eine Suche nach Alternativen, die für beide befriedigend sind, am besten.
Ich wünsche Ihnen hier Offenheit, Mut und Experimentierfreude!
Herzliche Grüße
Julia Peirano