Eine Psychotherapie ist wirksam, um Krankheiten wie Depressionen, Angsstörungen oder auch psychosomatische Probleme zu behandeln. Doch die Wartezeiten für einen Therapieplatz in Deutschland sind lang. Warum es sich trotzdem lohnt.
Scham, lange Wartezeiten und nicht wissen, wo es Hilfe gibt – es gibt viele Gründe, warum psychisch kranke Meschen sich trotz ihres Leidens keine Hilfe suchen. Dabei können seelische Krankheiten Betroffene sehr quälen. In Deutschland müssen gesetzlich Versicherte im Schnitt mehr als vier Monate auf den Beginn der Psychotherapie warten, so die Bundespsychotherapeutenkammer. Die Situation kann entmutigend sein und das Anrufen bei Dutzenden von Psychotherapeuten auch anstrengend. Aber: Durchhalten lohnt sich. Sechs Gründe, die für eine Psychotherapie sprechen:
Psychotherapie ist kein Klischee
Psychotherapeutinnen und Psychiater werden oft abwertend als Seelenklempner bezeichnet. Manch einer will nicht auf die Couch und sein Innenleben vor einem abgehobenen Mann mittleren Alters ausschütten, während dieser fleißig Notizen macht. Dieses Klischee kommt von der Vorstellung der Psychoanalyse nach Sigmund Freud. Doch alle Therapieformen, die von der Krankenkasse heute bezahlt werden, haben sich seither natürlich weiterentwickelt. Wie man in der Therpaie sitzt, hängt mit der Therapieform zusammen. Bei der Verhaltenstherapie und der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie sitzt man sich von Angesicht zu Angesicht im vertrauensvollen Rahmen mit dem Therapeuten bzw. der Therapeutin gegenüber. Unabhänig von der Therapieform werden in der Psychotherapie wissenschaftlich anerkannte Verfahren, Methoden und Techniken verwendet, um Menschen mit seelischen Krankheiten zu helfen. Welche Therapieform zu Ihnen passt und wie Sie einen guten Therapeuten erkennen, lesen Sie hier.
Psychotherapie wirkt
Wie ein Gips bei einem gebrochenen Bein dafür sorgt, dass die Knochen wieder richtig zusammenwachsen, hilft eine Psychotherapie nachweislich, um etwa schädliche Verhaltensmuster abzulegen. Studien zeigen, dass etwa 70 Prozent der Menschen, die eine Psychotherapie machen, auch davon profitieren. Eine repräsentative Befragung der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2011 zeigt, dass eine Psychotherapie auch ein Jahr nach der Behandlung noch nachwirkt oder sich der Zustand der Patienten sogar noch weiter verbessert. Von 2005 bis 2009 nahmen knapp 400 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie 1.708 Patientinnen und Patienten in Westfalen-Lippe, Hessen und Südbaden an dem von der Techniker Krankenkasse (TK) finanzierten Modellprojekt „Qualitätsmonitoring in der Psychotherapie“ teil. Wie erfolgreich eine Therapie ist, hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: Einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Therapeut und Patient sowie dem Willen zur Therapie und Mitarbeit. Heißt: Nur wer bereit ist, regelmäßig zu den Sitzungen zu kommen und auch darüber hinaus Zeit in Reflektion oder Aufgaben investieren will, profitiert von der Therapie.
Therapie ist ein geschützter Raum
In der Therapie dürfen alle Gedanken, Gefühle und Themen angesprochen werden, die Patient oder Patientin ansprechen will. Und das geschieht in einem geschützten Raum. Psychotherapeutinnen und Therapeuten unterliegen der Schweigepflicht. Sie dürfen also das, was in der Therapie gesagt wurde, niemandem berichten. Außerdem urteilen Psychotherapeutinnen und Psychiater nicht über die Gefühle oder Gedanken, die Patienten mit ihnen teilen. Sie regen zur Reflexion an, decken Verhaltensmuster auf und bieten Hilfestellung, um etwa schädliche Verhaltensweisen abzulegen.
Therapie eröffnet neue Perspektiven
Es kann wohltuend sein, mit Freundinnen oder Freunden über Probleme zu sprechen oder sie nach Beziehungstipps zu fragen. Doch: Sie können uns nicht frei beraten, sie stehen durch die Freundschaft in einer Beziehung zu uns. Sie werden unsere Gefühle bestätigen, weil sie mit uns fühlen. Bei einer Therapie hingegen sitzt uns jemand gegenüber, der nicht in unser Leben verstrickt ist. So gehen Therapeutinnen und Therapeuten auch auf unseren Anteil an einem Konflikt ein und weisen uns auf Verhaltensmuster hin. Mit gezielten Fragen oder Anmerkungen helfen Therapiegespräche uns dabei, zu sehen, was hinter einem Konflikt liegt und was der eigene Anteil daran ist.
Therapie hilft dabei, die eigene Geschichte zu schreiben
Vielen Menschen fällt es schwer, Nein zu sagen. Wer sehr viel darauf achtet, was andere Menschen wollen und benötigt, verliert gerne die Antennen für sich selbst, so Psychotherapeutin Franca Cerutti. Bedeutet zum Beispiel, dass in jeder Aussage des Gegenübers nach einem Appell, einem Auftrag gesucht wird. Das Appellohr hört, nach dem Modell des Kommunikationsquadranten Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun, also am besten. Der Sender, der Sprecher, sagt einen Satz und übermittelt damit eine Sachinformation, gibt etwas von sich preis, transportiert Hinweise auf den Beziehungsstatus und formuliert einen Appell. Wer viel auf Gesagtes, Gefühle, Bedürfnisse von anderen Menschen und der Umwelt reagiert, schreibt nicht seine eigene Geschichte, sondern ist davon abhängig, auf das zu reagieren, was im Umfeld passiert. Eine Therapie kann dabei helfen, dies zu erkennen. Statt nur auf das Umfeld zu reagieren, befähigt das Gelernte aus der Therapie dazu, zum Beispiel Grenzen zu setzen und eigene Bedürfnisse zu spüren.
Therapie hilft uns dabei, Erlebnisse zu verarbeiten
Therapie kann dabei helfen, Gefühle, Verluste oder Erlebnisse zu verarbeiten. Zum Beispiel das Ende einer romantischen Partnerschaft: In der Therapie bekommen Patienten zum Beispiel Methoden und Techniken an die Hand, um etwa ewige Grübeleien nach dem „Warum“ bei einer Trennung zu stoppen. Manchmal können auch Rituale helfen, um etwa über eine Beziehung hinwegzukommen, die mit einem totalen Kontaktabbruch geendet ist, erklärte Psychologin Uta Fröhlich dem stern.
Quellen: Infoseiten der Bundespsychotherapeutenkammer, Meldung Bundespsychotherapeutenkammer, TK Studie Bericht, Stiftung Warentest 1,Stiftung Warentest 2, Infoblatt Bundespsychotherapeutenkammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung 1, Kassenärztliche Bundesvereinigung 2, NHS, American Psychological Association