Stuttgart soll die zweite EM-Showbühne der Nationalmannschaft sein. Der Bundestrainer will gegen Ungarn von seinen Spielern im lila-pinken Trikot auch einen Fußball sehen, „der Spaß macht“.
Zweites Spiel, zweite Party. Deutschland stimmt sich voller Vorfreude und mit rasant gestiegenen Erwartungen auf das nächste Fußball-Fest bei der Heim-EM ein. Ob Schottland oder Ungarn: Hauptsache, die neue Sommermärchen-Staffel geht nach dem 5:1 im Eröffnungsspiel auch bei der Turnier-Premiere im lila-pinken Trikot im „Wusiala“-Showstil weiter.
Allerdings mochte Julian Nagelsmann nach der kurzen Anreise aus dem Camp in Franken in den Spielort Stuttgart keine weitere Tore-Gala versprechen: „Wir erwarten nicht, dass wir jeden Gegner aus dem Stadion schießen.“
Die Erwartungshaltung des Bundestrainers ist aber, dass der zweite Sieg eingefahren wird. Und das deckt sich mit seinen Spielern. „Wir gucken, dass wir jedes Spiel besser werden. Und wir fangen das Spiel gegen Ungarn wieder an mit derselben Intensität“, versprach Jamal Musiala, der wieder mit Kumpel Florian Wirtz zaubern möchte, den feierwütigen Fans.
Völler spricht schon vom Ziel Gruppensieg
Sportdirektor Rudi Völler blickte vor dem oft kniffligen zweiten Turnierspiel am Mittwoch (18.00 Uhr/ARD und Magenta TV) sogar schon über die Achtelfinal-Qualifikation hinaus auf eine ideale Ausgangsposition für die K.o.-Phase. „Wir wollen in jedem Fall Gruppensieger werden“, sagte der 64-Jährige. Dortmund, Stuttgart, München wären dann die weiteren Zwischenstationen auf dem weiteren Turnierweg bis zum finalen Traumziel Berlin.
Nach dem Fünf-Tore-Spektakel gegen überforderte Schotten wird die Ungarn-Prüfung zum Lackmustest. Wie gefestigt ist das „Fundament“, von dem Nagelsmann nach dem wunderbaren Auftaktabend und inzwischen fünf Länderspielen ohne Niederlage im EM-Jahr sprach? Hat Deutschland wirklich schon wieder das, was bis zu den vermurksten WM- und EM-Endrunden der vergangenen sechs Jahre alle anderen Nationen fürchteten, nämlich eine Turniermannschaft? Nagelsmann will diesen Glauben unbedingt weiter schüren.
Fußball als Entertainment: Ein Ticket kostet Geld
Der junge Bundestrainer geht in seiner Rolle auf. Und er will partout kein Mahner sein, kein Bedenkenträger, kein Bremser der Euphorie, die sich im Land entwickelt. Am Dienstag versammelte er seine 26 Akteure vor dem Anpfiff des Abschlusstrainings noch im sonnig warmen Herzogenaurach auf dem Platz im Kreis. Und seine Ansprache fiel auffällig lang aus.
Womöglich hat der eloquente Bundestrainer da nochmal das ausgesprochen, was er schon vor dem Turnierbeginn als Marschroute und Mission für diesen Sommer formuliert hatte. Er versteht sich und seine Spieler als Entertainer, als Spaßmacher, als Freudenbringer.
„Für mich ist immer der erste Schritt, dass wir eine Art und Weise von Fußball zeigen, die Spaß macht. Ein Ticket kostet Geld. Der Aufwand, den die Fans auf sich nehmen, muss zurückgezahlt werden durch einen Fußball, der Spaß macht, der entertainen soll“, sagte der Bundestrainer. Darum gelte: „Die Menschen schauen Fußball in ihrer Freizeit an. Und wir versuchen, das am Ende immer noch zu paaren mit einem guten Ergebnis.“
„Schon im Flow?“ Für Kroos kommt das zu früh
Ein gutes Ergebnis wäre der zweite Sieg, damit sechs Punkte und der vermutlich schon frühe Achtelfinaleinzug. Aber auch wenn Nagelsmann mit seinen Jungs nur zu gerne auf der Sympathie- und Erfolgswelle der Torgala des Eröffnungsspiels surft, bleibe man „mit den Füßen auf dem Boden“, wie Torwart Manuel Neuer versicherte.
Es sind die Turnier-Veteranen wie Neuer (38), Thomas Müller (34) und Toni Kroos (34), die die Situation vernünftig einordnen. Die Frage nach dem „Flow“ beantwortete Kroos, der das deutsche Spiel nach seinem Comeback mit seinem Ruhepuls und der Aura eines sechsfachen Champions-League-Siegers lenkt, mit wohltuendem Realismus. „Ob man nach einem Spiel schon im Flow ist, weiß ich nicht“, sagte der Mann, der gegen die Schotten 101 von 102 Pässe zum Mitspieler brachte, und nie den Überblick – geschweige den Ball – verlor.
Kein Grund für personelle Veränderungen
Die unbequemen und mit mehreren Bundesliga-Profis wie den Leipzigern Willi Orban und Péter Gulácsi besetzten Ungarn sind für Kroos kein Leichtgewicht wie die Schotten, die Musiala, Wirtz und Co. nach Herzenslust kombinieren und schießen ließen. „Es erwartet uns eine Mannschaft, die mindestens eine Klasse besser ist als Schottland“, sagte Kroos.
„Ungarn hat eine gute Umschaltmannschaft“, sagte Nagelsmann. Aber deswegen wird er an der Herangehensweise nicht sehr viel ändern. „Es liegt daran, wie wir auftreten.“ Auf sich schauen, den eigenen Stärken vertrauen, lautet der Plan. Grund für Veränderungen gibt es nicht. Nagelsmann kann wieder die Wunschelf mit Neuer, Kimmich, Rüdiger, Tah, Mittelstädt, Andrich, Kroos, Musiala, Gündogan, Wirtz und Havertz auf den Platz schicken.
Und trotzdem betonte er ausdrücklich den Wert der Ersatzspieler, für die sein Vor-Vorgänger Joachim Löw einst auf dem Weg zum WM-Triumph 2014 in Brasilien die Bezeichnung „Spezialkräfte“ erfand. „Es ist wichtig in einem Turnier, dass wir auch Spieler von der Bank haben, die Impulse bringen“, sagte Nagelsmann. Die Einwechselspieler Niclas Füllkrug und Emre Can erzielten gegen Schottland in München die umjubelten Tore vier und fünf.