Lässt sich die Temperatur im Schatten gerade noch aushalten, kann sie in der prallen Sonne auf brutale Werte steigen. Das hält manche Touristen in Griechenland jedoch nicht von Wanderungen ab – mit fatalen Folgen, wie eine vorläufige Bilanz zeigt.
Lediglich die Zikaden trotzen mit ihrem monotonen Zirpen den hohen Mittagstemperaturen, ansonsten steht das Leben still. Griechen würden um diese Zeit niemals freiwillig auf die Straße gehen, sondern höchstens im Café sitzen, am besten aber Mittagsschlaf halten. Anders manche Touristen im Land, die meinen, die hohen Temperaturen aushalten und trotzdem wandern gehen zu können: Mindestens fünf sind seit Anfang Juni vermutlich hitzebedingt ums Leben gekommen, weitere werden vermisst.
„Viele unterschätzen ihre Kräfte und auch die Anstrengungen, die mit einer Wanderung in der prallen Sonne verbunden sind“, sagt der Athener Kardiologe Thomas Giannoulis. „Die Temperatur kann bei 37 Grad im Schatten in der Sonne gerne auf bis zu 60 Grad steigen.“ Dadurch sei die Gefahr groß, zu dehydrieren und einen Hitzschlag zu erleiden. „Und diese Gefahr steigt, je älter ein Mensch ist.“
Suche dauert oft tagelang
Tatsächlich handelt es sich bei den bislang verstorbenen und noch vermissten Menschen ausnahmslos um Touristen im Alter zwischen 55 und 80 Jahren. Es begann mit dem Tod eines in Großbritannien bekannten Journalisten: Der 67-jährige Moderator war Anfang Juni auf der Insel Symi als vermisst gemeldet und erst nach Tagen tot gefunden worden. Er habe beim Wandern die falsche Route genommen und sei an einem Ort zusammengebrochen, an dem ihn der Suchtrupp nur schwer habe finden können, teilten die Behörden mit.
Zwei weitere Todesfälle gab es auf Kreta: Einmal ging ein 80 Jahre alter Tourist auf eigene Faust wandern und wurde einen Tag später tot gefunden, das andere Mal brach ein 70 Jahre alter Tourist am Strand zusammen und starb. Auf der kleinen Insel Mathraki kam ein 55-jähriger Amerikaner während einer Wanderung ums Leben. Auf Samos ging ein 74 Jahre alter Niederländer alleine wandern – und wurde nach Tagen tot gefunden.
Weiterhin Vermisste
Sorge gibt es zudem um mehrere Vermisste: Auf der Insel Amorgos fehlt seit mehr als einer Woche von einem US-Amerikaner jede Spur; er war zu einer Wanderung aufgebrochen. Auf dem Eiland Sikinos werden zwei ältere französische Touristinnen gesucht, die in der vergangenen Woche zu einer Wanderung aufgebrochen sein sollen.
Details zu den Vorfällen, die von griechischen Medien veröffentlicht wurden, geben zusätzlich zu denken: So sollen manche losgezogen sein, obwohl sie gerade Mittag gegessen und Alkohol getrunken hatten. Andere hatten keine Landkarte oder kein Handy dabei oder bewegten sich in unwegsamem Gelände ohne Mobilfunk-Empfang.
Herzprobleme und Hitzschlag
Sich alleine auf den Weg zu machen, sei der größte Fehler, sagt Thomas Giannoulis. Bei einem Hitzschlag etwa könne man sich schnell nicht mehr selbst helfen, weil man das Zeitgefühl und auch die Orientierung verliere. „Ein Hitzschlag muss schnellstmöglich im Krankenhaus behandelt werden. Nur etwas Wasser zu trinken, reicht nicht aus.“
Warum Touristen die vielen Warnungen ignorieren, die täglich ausgesprochen werden, bleibt unklar. Bei der jüngsten Hitzewelle vergangene Woche schloss selbst die Akropolis in Athen über die Mittagsstunden die Pforten – die Behörden wollten vermeiden, dass Menschen in der Hitze reihenweise umkippen. Das Land ist dieses Jahr besonders früh von hohen Temperaturen betroffen. Meteorologen zufolge war es seit Beginn der Aufzeichnungen mit bis zu 40 Grad Anfang Juni noch nie so heiß.