Die Europawahl ist vorbei – nun verhandeln Scholz und Co über die wichtigsten Posten in der EU. Im Fokus steht dabei vor allem die Zukunft von Ursula von der Leyen.
Gut eine Woche nach der Europawahl beraten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union über das künftige Spitzenpersonal der EU. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erhofft sich nach dem Wahlerfolg des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP von dem Sondergipfel am Montagabend grünes Licht für eine zweite Amtszeit. Die Führung der Kommission gilt als einer der wichtigsten Posten in der EU: Die EU-Exekutive schlägt Gesetze vor und wacht über die Einhaltung des gemeinsamen Rechts.
Damit von der Leyen eine zweite Amtszeit antreten kann, muss sie von den Staats- und Regierungschefs mit verstärkter qualifizierter Mehrheit dem Parlament als Kandidatin vorgeschlagen werden. Das heißt: Es müssen neben den 13 Staats- und Regierungschefs, die wie sie der EVP-Parteienfamilie angehören, noch mindestens sieben weitere Chefs von großen Mitgliedstaaten für sie stimmen. Zusätzlich muss der Vorschlag von Mitgliedstaaten unterstützt werden, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.
Für die anschließend notwendige Wahl im Europäischen Parlament ist sie darüber hinaus auf die Unterstützung anderer Parteienfamilien wie den Sozialdemokraten und Liberalen angewiesen, die bei der Europawahl hinter der EVP zweit- und drittstärkste Kraft geworden sind. Diese dürften im Gegenzug erwarten, andere Spitzenposten besetzen zu dürfen.
Bei dem als Abendessen geplanten Treffen der Staats- und Regierungschefs wird auch über den künftigen Vorsitzenden des Europäischen Rates und den Posten des EU-Außenbeauftragten verhandelt. Als möglicher Kandidat für den Ratschef-Posten gilt derzeit der frühere portugiesische Regierungschef António Costa. Als neue EU-Außenbeauftragte ist die estnische Regierungschefin Kaja Kallas im Gespräch. Costa gehört wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Parteienfamilie der Sozialisten und Sozialdemokraten an, Kallas ist wie der französische Präsident Emmanuel Macron bei den Liberalen.
Scholz und Macron haben bislang noch nicht öffentlich gesagt, ob sie von der Leyen definitiv für eine zweite Amtszeit unterstützen. Scholz betonte aber, dass es keinen Anlass gebe, sich zu lange mit der Entscheidung aufzuhalten und sprach sich für einen möglichst zügigen Beschluss aus. Am Samstag sagte er beim G7-Gipfel in Bari in einem Interview mit Welt TV und anderen Medien des Axel-Springer-Konzerns: „Natürlich ist klar, dass nach dem Ergebnis der Wahlen alles dafür spricht, dass es eine zweite Amtszeit geben kann von Ursula von der Leyen.“ Auch der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP spreche nicht dagegen.
Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hielt sich eine Entscheidung zunächst offen. „Der Vorschlag ist Sache der EVP, und wenn er vollständig vorliegt, werden wir unsere Bewertungen vornehmen“, sagte sie zum Abschluss des G7-Gipfels in Süditalien. Für sie sei wichtig, dass Italien in der neuen Kommission „angemessen“ berücksichtigt werde. Zudem müsse klar werden, „dass Europa die Botschaft der Europawahlen verstanden hat“.
Ende kommender Woche treffen sich die Staats- und Regierungschefs erneut in Brüssel, diesmal zu einem regulären Gipfel. Im Idealfall ist die Personalplanung dann schon unter Dach und Fach und muss nur noch formell bestätigt werden. Falls nicht, dürften die Staats- und Regierungschefs noch weiter über die Spitzenposten beraten.