Seit Jahren kämpft Wikileaks-Gründer Julian Assange gegen seine Auslieferung an die USA. Nun könnte der Rechtsweg in Großbritannien ausgeschöpft sein.
Im juristischen Tauziehen um die von den USA geforderte Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange wird heute mit einer Entscheidung zu dessen Berufungsantrag gerechnet. Dazu ist am Londoner High Court eine Anhörung angesetzt, die voraussichtlich zwei bis drei Stunden dauern soll. Die Unterstützer des 52 Jahre alten gebürtigen Australiers haben zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude im Zentrum der britischen Hauptstadt aufgerufen.
Die US-Regierung will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Ihm drohen nach Angaben seiner Unterstützer bis zu 175 Jahre Haft. Washington wirft ihm vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer hingegen sehen in der Strafverfolgung eine Vergeltungsaktion Washingtons, weil durch die Veröffentlichungen mutmaßliche Kriegsverbrechen aufgedeckt wurden.
Letzte Instanz wäre in Straßburg
Sollte das Gericht dem Berufungsantrag stattgeben, dürfte das jahrelange juristische Tauziehen zunächst weitergehen. Im Falle einer Ablehnung droht Assange eine baldige Auslieferung. Zumindest in Großbritannien wäre der Rechtsweg dann ausgeschöpft. Assanges Team will in diesem Fall den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen. Doch ob dieser eine einstweilige Verfügung erlassen würde, um die Auslieferung zu stoppen, und ob Großbritannien diese beachten würde, gilt als ungewiss.
Inhaltlich geht es am Montag darum, ob sich Assange in den USA als ausländischer Staatsbürger auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen kann und ob ihm die Todesstrafe droht. Die Richter hatten die Entscheidung über den Berufungsantrag bei einer zweitägigen Anhörung Ende März zunächst vertagt und Zusicherungen aus den USA angefordert. Nun geht es darum, ob diese Zusicherungen ausreichend sind oder ob es zu einer Berufungsverhandlung kommt.
Assanges Frau Stella fürchtet im Fall einer Auslieferung wegen der erwarteten harten Haftbedingungen in den USA und der labilen Psyche ihres Mannes um sein Leben. Suizid-Gefahr war auch der Grund, warum eine Richterin in erster Instanz die Auslieferung zunächst abgelehnt hatte. Doch die Entscheidung wurde später gekippt. Die britische Regierung stimmte seiner Auslieferung zu. Stella Assange zufolge wäre es denkbar, dass das Gericht an diesem Montag auch direkt inhaltlich über den Berufungsantrag entscheidet.
Gibt es womöglich eine politische Lösung?
Neben einem möglichen Berufungsverfahren dürften Assanges Unterstützer ihre Hoffnungen vor allem auf eine politische Lösung setzen. Die australische Regierung setzt sich inzwischen für eine Freilassung ihres Staatsbürgers ein. Erst kürzlich verabschiedete das australische Parlament einen Beschluss, in dem die USA und Großbritannien aufgerufen wurden, die Strafverfolgung Assanges zu beenden. Regierungschef Anthony Albanese betonte, die Angelegenheit ziehe sich schon zu lange hin.
Etwas Hoffnung bei Assange-Anhängern weckte US-Präsident Joe Biden kürzlich. Der hatte auf die Frage, ob die australische Forderung nach einem Ende der Strafverfolgung geprüft werde, gesagt: „Wir erwägen das.“ Albanese nannte die Äußerung „ermutigend“.
Assange sitzt seit beinahe fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen. Er sitzt inzwischen ohne eine Verurteilung im Gefängnis. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker fordern Assanges sofortige Freilassung.