Nach einem „Unfall“ des Präsidentenhubschraubers ist das Schicksal des iranischen Staatschefs Ebrahim Raisi ungewiss: Such- und Rettungsmannschaften durchkämmten am Sonntag bei dichtem Nebel eine bewaldete Gebirgsregion im Nordwesten des Landes. Der der Helikopter mit dem Präsidenten und Außenminister Hossein Amir-Abdollahian an Bord konnte jedoch bis zum Abend nicht gefunden werden, wie staatliche Medien und Regierungsvertreter berichteten. Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, rief die Iraner auf, sich „keine Sorgen“ über den Fortgang der Staatsgeschäfte zu machen.
Die Suche nach dem vermissten Hubschrauber in der Provinz Ost-Aserbaidschan gestalte sich wegen der „ungünstigen Wetterbedingungen“ mit dichtem Nebel sehr schwierig, sagte Innenminister Ahmed Wahidi im staatlichen Fernsehen. Nach seinen Angaben ereignete sich der Unfall im Waldgebiet von Dismar in der Nähe der Stadt Warsaghan. Wahidi sprach von einer „harten Landung“ des Präsidentenhubschraubers. Das staatliche Fernsehen meldete einen „Unfall mit dem Hubschrauber des Präsidenten“ in der Region Dscholfa.
Nach Angaben der Agentur Irna wurden mehr als 20 Rettungsteams mit Drohnen und Spürhunden in die Region entsandt. Die Nachbarländer Irak und Aserbaidschan boten ihre Hilfe bei der Suche nach Raisi an, sogar der langjährige Erzrivale Saudi-Arabien bot „jede Unterstützung“ an, um Präsident Raisi zu finden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan äußerte sich „zutiefst traurig“ über die Ereignisse.
Die EU aktivierte nach eigenen Angaben ihren Dienst zur Bereitstellung von Geo-Daten, um den Hubschrauber des iranischen Präsidenten zu finden. „Auf Anfrage des Iran“ werde Copernicus EMS aktiviert, schrieb der Kommissar für humanitäre Hilfe, Janez Lenarcic, im Onlinedienst X. Über den Dienst können etwa Satellitendaten für Katastrophengebiete bereitgestellt werden. Die Regierung in Washington erklärte, sie verfolge die Geschehnisse.
Der 63-jährige Raisi hatte sich an Bord eines Hubschraubers vom Typ Bell 212 befunden, der Teil eines Konvois von insgesamt drei Hubschraubern war. Zwei der Helikopter landeten sicher in der Stadt Täbris im Nordwesten des Iran, nicht aber der Hubschrauber mit Raisi an Bord. Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna berichtete, neben Raisi seien auch Außenminister Hossein Amir-Abdollahian sowie der Gouverneur der Provinz und der wichtigste Imam der Region an Bord des Helikopters.
Die reformorientierte Zeitung „Scharg“ berichtete, der Hubschrauber mit Raisi an Bord sei abgestürzt. Innenminister Wahidi sprach hingegen von einer „harten Landung wegen der schlechten Wetterbedingungen“. Es sei schwierig, eine Kommunikationsverbindung zu dem Helikopter herzustellen.
Ajatollah Chamenei sagte in einer Ansprache im staatlichen Fernsehen, das iranische Volk sollte sich „keine Sorgen machen, es wird keine Unterbrechung im Handeln des Landes geben“. Gleichzeitig rief er die Bevölkerung auf, für den Präsidenten zu beten. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder von schiitischen Gläubigen, die in Moscheen für Raisi beteten. Vizepräsident Mohammad Mochber, der im Falle des Todes von Raisi die Staatsgeschäfte zunächst übernehmen würde, reiste zusammen mit mehreren Ministern nach Täbris.
Raisi hatte vor dem Helkikopterflug am Sonntag die Region Ost-Aserbaidschan im Nordwesten des Iran besucht und dort zusammen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew einen Staudamm an der Grenze der beiden Länder eingeweiht. Bei einer Pressekonferenz vor Ort brachte er erneut die Unterstützung des Iran für die Palästinenser im Gaza-Krieg gegen Israel zum Ausdruck.
Raisi ist seit Sommer 2021 Präsident der Islamischen Republik Iran. Der 63-Jährige, der stets einen schwarzen Turban und einen langen Mantel trägt, gilt als Ultrakonservativer. Er hatte sein Amt in einer Zeit wirtschaftlicher und sozialer Probleme nicht zuletzt infolge der US-Sanktionen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm angetreten. Es folgten interne Proteste und internationale Konflikte.
Aus der Parlamentswahl im Frühjahr war Raisi gestärkt hervorgegangen. Es war die erste landesweite Abstimmung seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini im September 2022, die nach einem Polizeigewahrsam wegen angeblichen Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung gestorben war. Daraufhin war es landesweit zu monatelangen Massenprotesten gekommen.
Im Nahost-Konflikt, der durch den Angriff der pro-iranischen Hamas auf Israel am 7. Oktober eskaliert war, kam es im April auch zu einer direkten Konfrontation zwischen dem Iran und Israel: Erstmals beschoss der Iran von iranischem Boden aus das israelische Staatsgebiet mit Drohnen und Raketen, nachdem die israelische Armee nach iranischen Angaben zwei hochrangige Vertreter der iranischen Revolutionsgarden in Syrien getötet hatte. Durch internationalen Druck hin konnte eine weitere Eskalation verhindert werden.
Der 63-Jährige Raisi ist nicht nur Politiker, sondern auch schiitischer Geistlicher. Im November 1960 in der heiligen Stadt Maschhad im Nordosten des Iran geboren, stand er stets für einen Law-and-Order-Kurs. Vor seiner Präsidentschaft hatte er im Justizsystem des Landes Karriere gemacht. Seit 2019 steht Raisi auf einer Sanktionsliste der USA. Ihm werden „schwere Menschenrechtsverbrechen“ zur Last gelegt.