Nach Urteil: Die dunkle Seite des Chiquita-Imperiums

Der US-Bananenkonzern Chiquita ist für die Finanzierung von Menschenrechtsverletzungen im Ausland verurteilt worden. Nun könnten tausende Opfer Entschädigungen einklagen. Chiquita steht nicht zum ersten Mal in der Kritik.

Der US-Bananenkonzern Chiquita ist wegen seiner Verbindungen zu einer paramilitärischen Gruppe in Kolumbien erneut zu Schadensersatzzahlungen in Millionenhöhe verurteilt worden. Ein Geschworenengericht im US-Bundesstaat Florida entschied am Montag, dass das Unternehmen 38,3 Millionen Dollar Schadensersatz an die Familien von acht kolumbianischen Männern zahlen muss, die von den Vereinigten Selbstverteidigungskräften Kolumbiens (Autodefensas Unidas de Colombia – AUC) getötet wurden. 

Chiquita habe die AUC wissentlich finanziell unterstützt, was ein vorhersehbares Schadensrisiko dargestellt habe. Das Unternehmen konnte nicht nachweisen, dass es sich bei den finanziellen Zuwendungen um Schutzgelder handelte, mit denen eine unmittelbare Bedrohung des Unternehmens oder seiner Mitarbeiter abgewendet werden sollte. In einer Stellungnahme gegenüber CNN erklärte Chiquita, dass das Unternehmen beabsichtige, gegen das Urteil der Jury Berufung einzulegen.STERN PAID 08_24 Kolumbien Reise   16.30

„Richtungsweisendes Urteil“ gegen Chiquita

„Die Situation in Kolumbien war für so viele tragisch, darunter auch für diejenigen, die direkt von der Gewalt dort betroffen waren. Unsere Gedanken sind bei ihnen und ihren Familien. Das ändert jedoch nichts an unserer Überzeugung, dass es für diese Ansprüche keine rechtliche Grundlage gibt“, zitiert CNN aus der Erklärung. „Wir sind zwar von der Entscheidung enttäuscht, sind aber weiterhin zuversichtlich, dass unsere Rechtsposition sich letztendlich durchsetzen wird.“

Die Anwältin der Familien der Getöteten konstatiert: „Das Urteil macht die getöteten Ehemänner und Söhne nicht wieder lebendig, aber es stellt die Dinge richtig und weist die Verantwortung für die Finanzierung des Terrorismus dorthin, wo sie hingehört: vor die Tür von Chiquita“. Die Firma war bereits 2007 wegen ähnlicher Vorwürfe zu einer Geldstrafe von 25 Millionen Dollar verurteilt worden. Das Unternehmen hatte sich damals schuldig bekannt, zwischen 2001 und 2004 Schutzgelder für die Sicherheit seiner Beschäftigten gezahlt zu haben, wie einer Mitteilung des US-Justizministeriums (Department Of Justice – DOJ) zu entnehmen ist.

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Dem „richtungsweisenden Urteil“ gingen 17 Jahre dauernde juristische Bemühungen voraus, wie der britische „Guardian“ zusammenfasst. Es sei das erste Mal, dass der multinationale Obstkonzern kolumbianischen Opfern eine Entschädigung schulde. Damit sei nun für Tausende weitere Menschen die Möglichkeit eröffnet, Wiedergutmachung zu fordern.

Die paramilitärische AUC wurde von der US-Regierung und der EU als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Miliz galt bis zu ihrer offiziellen Auflösung 2006 als eine der brutalsten Gruppen des Landes.

Nicht zum ersten Mal steht der weltweit bekannte Bananenkonzern ein der Kritik:

Früh gibt es Beschwerden über miese Arbeitsbedingungen. Im Jahr 1928 streiken Mitarbeiter im kolumbianischen Ciénaga. Bei der Niederschlagung des Arbeitskampfes hilft die Armee des Landes und beendet den Aufstand mit einer Massenhinrichtung. In die Geschichte ging das Verbrechen als „Bananenmassaker“ ein.Großakteuren der Branche wie Dole, Noboa und eben auch Chiquita wurde seitens Human Rights Watch 2002 Kinderarbeit bei Zulieferern in Ecuador vorgeworfen. Die Konzerne konnten sich jedoch juristisch weitgehend aus der Verantwortlichkeit für Zulieferbetriebe befreien.Schädlicher Pestizideinsatz, bei dem Plantagenarbeiter direkt in Kontakt mit den Pflanzenschutzmitteln kommen, wurden jahrelang durch Gewerkschaften moniert.Laut dem Abschlussbericht der kolumbianischen Wahrheitskommission von 2023 war Chiquita zu früheren Zeiten der AUC beim Schmuggel behilflich und schmuggelte Drogen außer Landes.

Indirekt steht wohl auch der Begriff „Bananenrepublik“ im Zusammenhang mit Chiquita. Honduras, Guatemala und auch die Demokratische Republik waren zu Beginn des letzten Jahrhunderts derart in der Hand großer Bananenhändler – zu denen auch die United Fruits Company, der Vorgänger der Chiquita Brands International zählt –, dass ihre Macht über die der dortigen Regierungen hinausging. Der Schriftsteller William Sydney Porter soll in seinem Werk „Cabbages and Kings“ erstmalig im Zusammenhang mit diesen Missstand den – heute als rassistisch gelesenen Begriff – geprägt haben.

Quellen:  CNN, „Guardian“ , DOJ,„SWZ“ mit Nachrichtenagenturen