Die Insolvenz des Reiseveranstalters FTI zeigt, dass die Tourismusbranche ein hartes Geschäft ist. Trotzdem wird jetzt keine Pleiteserie folgen, meint ein Experte
In den Monaten vor seiner Insolvenz stellte der Reiseveranstalter FTI gerne seinen Umsatz ins Schaufenster: 4,1 Mrd. Euro waren es nach Angabe des Unternehmens im Geschäftsjahr 2022/2023, das klingt nach einer großen Summe. Aber ein großer Umsatz ist in der Reisebranche nicht viel wert, denn am Ende bleibt meist nur ein Bruchteil davon übrig – wenn überhaupt.
Im letzten veröffentlichten Jahresabschluss von FTI aus dem Jahr 2021/22 lag der Umsatz bei 3,7 Mrd. Euro, unterm Strich stand aber ein Verlust von mehr als 90 Mio. Euro. Dass es sogar ins Negative geht, hängt natürlich auch mit der hohen Verschuldung des Unternehmens zusammen. Doch auch bei gesunden Konzernen zeigt sich der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn deutlich. So erwirtschaftete etwa der größte deutsche Reiseveranstalter Tui 2022/23 einen Umsatz von 20,7 Mrd. Euro, machte aber nur knapp 1 Mrd. Euro Gewinn.
Kann ein Geschäftsmodell mit so geringen Margen auf Dauer funktionieren oder hat die Pleite von FTI ein grundsätzliches Problem der Branche aufgezeigt?
„Es wird jetzt keine Folge weiterer Pleiten geben“
Für Torsten Kirstges, Professor für Tourismuswirtschaft an der Jade Hochschule Wilhemshaven, ist die Antwort eindeutig: „FTI ist ein Sonderfall“, sagt er im Gespräch mit Capital. „Pauschalreisen, Reisebüros und Veranstalter wurden schon oft totgesagt, aber nichts davon hat sich bisher bewahrheitet. Die Branche ist krisenerfahren und es wird auch jetzt keine Folge weiterer Pleiten geben.“ Tatsächlich ist die Reise-Nachfrage nach der Coronapandemie wieder riesig, andere Veranstalter brechen Rekord um Rekord, vor allem bei den Umsätzen.
Was am Ende für sie übrig bleibt, ist in erster Linie das, was sie selbst auf den Reisepreis aufschlagen. Üblicherweise kaufen Veranstalter Kontingente ein bei den Anbietern einzelner Leistungen, also zum Beispiel bei Hotels, Fluggesellschaften und Busunternehmen. Über diese können sie bis zu einem gewissen Zeitpunkt vor Reisebeginn verfügen und aus den einzelnen Bausteinen eine stimmige Reise bauen, die sie dann im Paket an den Endkunden verkaufen.
„In der Regel liegt die Marge der Veranstalter bei 25 bis 30 Prozent des Reisepreises, wenn die Pauschalreise gut kalkuliert und der Veranstalter vernünftig im Markt positioniert ist“, erklärt Kirstges. Davon gehe dann noch die Provision für die Reisebüros ab. Die Nettomarge liege daher oft nur bei um die 10 Prozent. Bei FTI war sie aber vermutlich noch niedriger. „FTI hat immer niedrigere Preise gehabt als andere und deswegen sicherlich weniger Marge. Diese preisaggressive Strategie rächt sich jetzt.“ Denn die könne man nur verfolgen, wenn man die entsprechende Masse generiere und das sei FTI in den vergangenen Jahren nicht mehr gelungen.
FTI konnte sich von Vertrauensverlust nicht erholen
Im Gegensatz zur Konkurrenz konnte FTI nicht in dem Maße von der großen Reiselust profitieren, offenbar auch, weil das Unternehmen einen großen Vertrauensverlust erlitten hat. Bei vielen Reisebüros dürfte der auf einen Datenskandal zurückzuführen sein, bei dem Buchungszahlen und Konkurrenzdaten weitergegeben wurden. Dazu gab es immer wieder negative Schlagzeilen über das Unternehmen, die angespannte Finanzlage und die Vorstrafe des ehemaligen Geschäftsführers Ralf Schiller, die Anfang 2023 öffentlich wurde. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Reisebüros haben angefangen mich zu fragen, ob sie FTI noch verkaufen können“, sagte Marija Linnhoff vom Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) im Februar Capital. „Im vergangenen Jahr hatten sie alle noch verkauft, aber jetzt passiert das oft nur noch auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden.“
Auch die Hoteliers in den Zielgebieten haben FTI wohl nicht mehr als verlässlichen Partner wahrgenommen und sollen sogar Vorkasse verlangt haben – normalerweise bezahlen Veranstalter erst nach Aufenthalt des Gastes. Zuletzt wurde aber über Außenstände bei den Hoteliers in Höhe von 200 Mio. Euro berichtet.
Über Veranstalter zu buchen kann Vorteile haben
Strategische Fehlentscheidungen in der Historie des Unternehmens und auch die Coronapandemie haben nach Einschätzung von Kirstges letztlich zum Scheitern von FTI beigetragen. Auf einen Anfang vom Ende der Reiseveranstalter oder gar der Tourismusbranche deutet diese Insolvenz aber seiner Meinung nach nicht. Vielmehr würde sich der Markt nun konsolidieren, andere Veranstalter würden die Lücke von FTI füllen. Das sei bereits erkennbar.
„Es ist auch nicht unbedingt teurer über einen Veranstalter zu buchen, als alles alleine zu machen, weil der Veranstalter natürlich einen Mengeneffekt hat und günstigere Konditionen bekommt als eine Privatperson“, sagt Kristges. Außerdem gebe es nur bei einer Veranstalter-Buchung auch eine Absicherung im Insolvenzfall wie jetzt bei FTI über den Deutschen Reisesicherungsfonds DRSF.