Vorweihnachtszeit ist Julklapp-Zeit. Unsere Autorin hasst den Brauch des Wichtelns, der aus Skandinavien kommt, seit ihrer Schulzeit.
Nun geht es wieder los. Vorweihnachtszeit ist Wichtel- oder Julklapp-Zeit. Und um es gleich vorwegzusagen: Ich hasse es. Habe es immer gehasst. Schon zu Schulzeiten. Das ist kein „lustiger Brauch“ aus Skandinavien. Und alles andere als hygge. Das ist, um den französischen Soziologen Bourdieu zu bemühen, symbolische Gewalt.
Mein letztes Wichtelgeschenk, Zeit und Ort müssen hier ungenannt bleiben, war ein Lappen. Ja, richtig gelesen. Anders kann man dieses umgenähte Stück Stoff wirklich nicht bezeichnen. Es war etwa so groß wie ein Schulheft, grün-grau-kariert, zu klein für eine Tischdecke (gottlob), zu groß für einen Untersetzer. Es wäre ungerecht zu behaupten, dass die Nähte schief gewesen wären, aber es war nicht zu übersehen, dass dieser Stoffrest mit der Nähmaschine von unprofessioneller Hand „veredelt“ worden war. Ein paar Fäden hingen an den Kanten.
Es war übrigens kein Schrott-Wichteln, wo es darum geht, skurrile Dinge, die man nicht mehr braucht, loszuwerden. Dass mir die Gesichtszüge nicht entglitten, war dem Umstand geschuldet, dass man beim Wichteln unter Beobachtung steht. Die „Gönner“ und „Gönnerinnen“ gucken, wie ihr Geschenk ankommt. Und es war eine kleine Gruppe, so viel sei verraten. Also machte ich gute Miene, log, dass die Balken eigentlich von der Decke hätten krachen müssen. „Ach, das ist ja nett, kann ich ganz gut gebrauchen. Passt in meine Küche.“
Einem geschenkten Gaul …
Das war das Signal für die Gönnerin, sich zu outen. „Gefällt es Dir wirklich?“ Ihr unsicherer Ton verriet, was passiert war. Verzweifelt hatte sie (vermutlich in letzter Minute) nach einem Wichtel-Geschenk gesucht, war zu geizig gewesen, um ein paar Euro für Pralinen oder Schokolade auszugeben (sehr geeignetes Geschenk, weil man es weiter verschenken kann, wenn man Zucker meidet, was bei mir nicht der Fall ist).
In ihrer Sammlung erster Nähversuche war sie dann auf ein aus ihrer Sicht geeignetes Geschenk gestoßen, hatte es in Weihnachtspapier gewickelt und mit einer wirklich hübschen Schleife aus Spitze versehen. Immerhin. Ich heuchelte Freude. Und dachte: Was habe ich dieser Frau getan? Ich weiß, einem geschenkten Gaul … Es ist die gut gemeinte Absicht, die zählt, nicht das Geschenk. Aber hier gab es keine gute Absicht, sondern nur den Wunsch, dieses misslungene Stück Handarbeit loszuwerden.
Tränen beim Julklapp in der Schule
Schon in meiner Schulzeit habe ich Julklapp gehasst. Es war der Auftakt für eine subtile Art des Mobbings. Zettelchen mit den Namen wurden gezogen. Niemand wusste, wer wen gezogen und beschenkt hatte. Die Geschenke waren Zeichen der Wertschätzung. Immer war da die Angst, mit einem Geschenk gedemütigt zu werden. Ich hatte immer Glück, aber es gab, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, auch Tränen. Weil die Geschenke sichtlich lieblos waren. Eine Form der Rache für was auch immer. Es war organisierte, pädagogische Unverantwortlichkeit. Ich hoffe, viele Lehrkräfte lesen diese Zeilen.
Angeblich kommt der Brauch aus Skandinavien. „Juleklapp“ heißt auf Schwedisch Weihnachtsgeschenk, setzt sich aus den Worten „Jul“ für Weihnachten und „klapp“ für „klopfen“ zusammen. In Schweden legt man das Geschenk vor die Tür und läuft weg. Vielleicht nicht ohne Grund? In Norddeutschland „wichtelt“ man. Wichtel sind Sagenfiguren, die im Geheimen Gutes tun. Gutes, wohlgemerkt.
Der Lappen eignete sich nicht mal als Geschirrtuch oder Putzlappen, weil er durch die doppelte Lage zu steif war. Er landete in der Altkleidersammlung. Nur die Schleife ziert noch heute den Griff meines Kleiderschranks. Immerhin.
fs-weihnachten_hörbücher 17.08
Nur Schrottwichteln macht Spaß
Es geht auch anders: An Silvester brachte die Nachbarin meiner Freundin einen Sack voller Geschenke mit zur Party. Sie hatte aufgeräumt und aussortiert. Die Geschenke waren toll verpackt. Jeder durfte sich ein Paket aussuchen. Dann wurde gewürfelt. Das Paket wanderte um die Zahl der Augen weiter und weiter und weiter durch viele Hände. Es wurde geschüttelt und geraten, was wohl in den Paketen sei. Jeder hoffte auf ein bestimmtes Geschenk, weil die Form (die Dinge waren nicht im Karton verpackt) so vielversprechend schien. Die Spannung stieg. Als die Eieruhr schrillte, durfte ausgepackt werden. Und getauscht. Sogar zurückgeben war erlaubt, aber das tat niemand.
Mir war eine neonfarbene Vase aus Kunststoff zugefallen – so hässlich und schrill, dass sie irgendwie cool war. Wir haben beim Schrottwichteln viel gelacht. Und das war eigentlich das schönste Geschenk.