Exklusiv: Verschwendete Steuer-Millionen: EU-Parlament will sich von Dienstleister trennen

Nach einem stern-Bericht zieht Brüssel Konsequenzen. Das EU-Parlament möchte Nicolas Crochet loswerden, einen vorbestraften Dienstleister – und engen Vertrauten von Marine Le Pen.

Im November berichtete der stern, dass das Europaparlament Millionen verschleudert – unter anderem an einen wegen Betrugs vorbestraften Buchhalter. Nun will Brüssel sich von diesem Dienstleister trennen: dem Franzosen Nicolas Crochet, einem engen Vertrauten der Rechtspopulistin Marine Le Pen. Das bestätigte der Finanzdirektor des Parlamentes, Didier Klethi, im Haushaltskontrollausschuss.

Crochet und Marine Le Pen müssen sich derzeit vor einem französischen Gericht verantworten. Über Jahre sollen Le Pen und weitere EU-Abgeordnete ihrer Partei systematisch EU-Gelder zweckentfremdend und mit ihnen Mitarbeiter der Partei bezahlt haben. 

EU Parlament Geldverschwendung 18:42

Crochet soll diesen Betrug orchestriert haben. Er fungierte als Zahlstelle zwischen dem Europaparlament und den Abgeordneten des Rassemblement National, Le Pens Partei. Als solcher hat er Gelder aus dem Haushalt des Parlamentes erhalten, um die Assistenten der Parlamentarier zu bezahlen. Das Pariser Gericht wirft ihm Beihilfe bei der Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. Der Schaden wird mit 6,8 Millionen Euro beziffert, das Urteil soll noch diesen Monat fallen.

Nicolas Crochet ist ein enger Vertrauter von Marine Le Pen

Nach den Recherchen des stern im November, fungierte Crochet trotzdem weiterhin  – und bis heute – als Zahlstelle für dreizehn Abgeordnete. Das heißt, er verwaltet bis zu zwei Milliarden an europäischen Steuergeldern jährlich – obwohl er das nach den Regeln des Brüsseler Parlaments nicht dürfte. Denn er war bereits wegen Geldwäsche vorbestraft. Und die Haushaltsordnung des Europäischen Parlamentes sieht vor, dass Dienstleister, die sich „schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten“ geleistet haben oder wegen Betrugs, Korruption oder anderen Unregelmäßigkeiten verurteilt sind, keine Gelder aus dem EU-Haushalt verwalten dürfen.

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Im Falle Crochets überging die Behörde ihr eigenes Regelwerk bisher: Crochet war im vergangenen Jahr zu anderthalb Jahren Gefängnis und 40.000 Euro Strafe verurteilt worden. Wegen „Beihilfe zu Betrug und Beihilfe zum versuchten Betrug mit fiktiven Darlehen im Rahmen des französischen Präsidentschaftswahlkampfes 2012“. Auch davor hatte er schon Strafen kassiert, unter anderem 2014, wegen Gewalt gegen eine Person des öffentlichen Dienstes.

Der stern machte diesen Fall öffentlich. Nun zieht das EU-Parlament offenbar Konsequenzen. Im Haushaltskontrollausschuss sagte der Finanzdirektor des Parlamentes, Didier Klethi, seine Behörde habe die Aufhebung der Verträge zwischen Vincent Crochet und den 13 Abgeordneten beantragt. Außerdem prüfe man, „auf welcher rechtlichen Grundlage die gezahlten Beträge wieder eingezogen werden können.“ 

Allerdings wollte Klethi keine Fehler der Behörde sehen. Er schob die Schuld auf die Abgeordneten. Sie hätten dem Parlament eine falsche Erklärung abgegeben: In ihren Verträgen mit dem Buchhalter Crochet gaben sie an, dass dieser nicht gegen die Finanzordnung verstoße. „Jegliche falsche Erklärung gilt als Betrugsfall“, sagte Klethi nun. Die betroffenen Abgeordneten hätten nun „zwei, drei Monate Zeit, um einen anderen Buchhalter zu finden“.