Meinung: Über Hilfe, Empathie und eine unsägliche deutsche Debatte

Ihre Heimat Syrien ist zerbombt, vermint, die Menschen traumatisiert. Die Weißhelme kommen zurück, um aufzuräumen und aufzubauen. Und über welche Hilfe reden wir in Deutschland?

Es sind Kolonnen von weißen Autos, die via Drohne gefilmt werden, wie sie über Straßen in Syrien fahren – hinein nach Aleppo, hinein nach Homs. In Städte, in denen ihre Fahrer von der Zivilschutzorganisation der White Helmets seit vielen Jahren nicht mehr helfen konnten.

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Doch jetzt sind sie da, mit Besen und schwerem Räumgerät, mit Experten für die Minen-Suche und das Aufspüren und Sichern von Bombenresten und Chemiewaffen, den fürchterlichen Resten des fürchterlichen Bürgerkrieges, in dem der gefallene Diktator Baschir al-Assad sein eigenes Volk bombardierte und ermordete.

Sie haben einen Plan für die Rückkehr der Geflüchteten

Die White Helmets haben bereits einen Plan vorgestellt, wie sie die Rückkehr der vielen Hunderttausend geflüchteten syrischen Mitbürger garantieren wollen – und dieser Plan ist realistisch, weil er menschlich ist: Die Weißhelme beginnen jetzt mit der Kartierung und Begehung von allen bombardierten und zerstörten Regionen in diesem geplagten Land, von Aleppo bis Homs, von Idlib bis Damaskus.

Die Weißhelme sind aus dem Exil nach Aleppo zurückgekehrt und haben begonnen, die Stadt von Autowracks, Raketenteilen und Minen zu befreien
© OMAR HAJ KADOUR

Sie haben schon angefangen, Straßen zu räumen, damit die Menschen wieder sicher vorankommen. Sie untersuchen zivile und staatliche Gebäude auf Minen und Sprengfallen, damit die Opferzahlen nicht noch weiter steigen. Sie stellen sicher, dass die Toten begraben werden, die sie immer noch finden in den Gefängnissen und auch einfach irgendwo auf den Feldern oder in den Städten. Sie dokumentieren die Toten und wo sie begraben sind, damit ihre Angehörigen sie irgendwann finden können. 

Sie gehen mit fünf Spezialteams gerade in die tiefgelegenen Zellen des Sednaya-Gefängnisses, wo das Assad-Regime seine Gegner folterte – um Menschenleben zu retten und um die Barbarei dort zu dokumentieren.

Ein Mitarbeiter der White Helmets nach dem Einschlag einer russischen Rakete in Idlib im Oktober. Die Hilfsorganisation konnte zehn Menschen nur noch tot bergen
© Omar Haj Kadour

Und dann wollen sie eine zumindest in Ansätzen funktionierende Infrastruktur aufbauen für eine medizinische Versorgung, damit Geflüchtete zurückkommen können, mit ihren Familien, mit Kleinkindern, mit alten Menschen, um wirklich wieder in ihrer syrischen Heimat leben zu können.

Kaum ist das Regime in Syrien gefallen, reden wir in Deutschland über Rückkehrer

Und worüber diskutieren wir hier in Deutschland?

Ob es einen Tag nach dem Fall des Regimes schon zu früh ist, um über die Rückkehr von Hunderttausenden Geflüchteten zu diskutieren. Ob man vielleicht in einer Woche weiß, wie viele zurückkehren könnten. Oder vielleicht doch schon früher? Ein sofortiger Aufnahmestopp wurde auch schon gefordert. Und AfD und BSW fordern gleich und gleichzeitig, dass alle, die heute auf der Straße die Befreiung vom Diktator feiern, am besten Morgen schon wieder zurück nach Syrien gebracht werden sollten.

Nichts wäre unsinniger, als jetzt Hunderttausende, ja vielleicht Millionen Menschen in ein Land zurückzuschicken, das diese Menschen noch gar nicht wieder aufnehmen kann.

Seit 2013 helfen die Weißhelme ihren Mitbürgern in Syrien, seit einigen Jahren konnten sie dies – wie hier nach einem Raketeneinschlag in Idlib im Jahr 2020 – nur noch in den von Rebellen kontrollierten Landesteilen tun. Jetzt kehren sie aus dem Exil zurück
© Abdulaziz Ketaz

Wenn uns in Deutschland wirklich daran liegt, dass syrische Bürger ihr eigenes Land wieder aufbauen, dann muss unsere erste Sorge sein, Organisationen wie die Weißhelme zu unterstützen. Dann geht es nicht darum, so viele Geflüchtete so schnell wie möglich mit 1000 Euro oder einem Flugticket in der Hand nach Hause zu schicken. Sondern syrischen Zivil-Organisationen so viel Unterstützung wie möglich zu schicken, von Gerät über Geld bis zu organisatorischer Hilfe.

Merkels Selfie-Syrer 13:46

Wo sollen diese Hunderttausende denn hin?

Lasst uns aufhören mit theoretischen Diskussionen über Zahlen von Menschen, als gäbe es keine wirkliche, menschliche Realität hinter diesen Zahlen. Wo sollen diese Menschen denn hin, wenn ihre Häuser noch vermint sind? Wenn es im weiten Umkreis keinen Arzt mehr gibt und keine Versorgung? Deutschland war immer gut in der pragmatischen Beurteilung von Krisen – und von notwendiger Hilfe. Syrien ist ein Staat, in dem es viele Menschen gibt – wie die White Helmets –, die ihr Land aufbauen wollen und können.

Sie brauchen unsere Unterstützung. Das sollte eine Priorität in unserer Diskussion am ersten Tag nach dem Fall eines Diktators sein. Keine Wahlkampfparolen.