Mord in Manhattan: VP9 von B&T – die Tatwaffe von New York ist eine lautlose Tierarztpistole

Der Attentäter von New York hat vermutlich eine sehr seltene Waffe benutzt. Die Veterinärpistole ist die Nachfolgerin einer legendären Geheimdienstwaffe.

Ein Überwachungsvideo zeigt die tödlichen Schüsse auf den CEO des US-Versicherungskonzerns UnitedHealthcare. Und es warf Fragen auf. Der Schütze richtete eine große Waffe auf den 50-jährige Brian Thompson, ausgestattet mit einem Schalldämpfer. Dann sah es aus, als würde die Waffe klemmen, kaltblütig beseitigte er die Störung.

Inzwischen hat sich die erste Einschätzung geändert. Experten konnten die Tatwaffe mit hoher Wahrscheinlichkeit identifizieren. Es handelt sich offenbar nicht um eine der gebräuchlichen Pistolen, wie etwa eine Glock. Der Täter benutzte eine sehr ungewöhnliche Waffe, nämlich eine sogenannte Veterinärpistole. So eine Waffe wird auf Farmen und Ranches benutzt, um große Tiere zu töten. Häufig, um sie von einem Leid zu erlösen.Gaston Glock 14.18

Waffe ist konzipiert für Veterinäre

Der Schalldämpfer ist hier kein Extra, er ist integraler Bestandteil der Pistole. Bei der Vorstellung des Typs der VP9 von B&T im Jahr 2014 titelte das „Deutsche Waffen Journal“: „Die lautlose Erlöserin“. Die B&T VP9 unterscheidet sich deutlich von anderen Waffen. Sie ist auf Lautlosigkeit optimiert. Die Waffe besitzt ein Magazin mit nur fünf Schüssen im Kaliber 9 Millimeter – sie lädt aber nicht automatisch nach. Die Pistole hatte daher keinen Klemmer, der Schütze musste die nächste Kugel manuell nachladen. Dazu wird der hintere Verschluss verdreht und der Bolzen herausgezogen und wieder eingeführt. Für einen ungeübten Arzt stellt das Design Einzelschusswaffe einen Sicherheitsvorteil dar, so „DWJ“. Die VP9 trägt sogar ein Veterinär-Symbol.weet

Die Wahl so einer Schusswaffe erscheint auf den ersten Blick extrem ungewöhnlich. Es könnte die Wahl eines absoluten Profis sein. Das Vorgehen des Täters ist einerseits sehr geschickt. Daher konnte er New York vermutlich auch mit einem Linienbus verlassen. Aber andererseits ist er kein professioneller Killer, dafür exponiert er sein Gesicht zu häufig vor einer Kamera, auch wenn es teilweise verdeckt ist, werden die Details bei seiner Identifikation helfen. 

Dämpfer mit angebauter Pistole

Wenn er kein Profi ist, hat möglicherweise „Verfügbarkeit“  zu der Wahl geführt. Der Täter hat eine Waffe genommen, mit der er vertraut ist und auf die er Zugriff hat – etwa, weil sie ihm selbst gehört oder weil er im Rahmen seiner Arbeit mit ihr zusammenkommt. Das würde dann auf einen Mann aus einer ländlichen Region hindeuten, der mit großen Tieren wie Rindern oder Pferden zusammenarbeitet. 

Diese Erklärung würde der Polizei sehr helfen. Der Kreis der Verdächtigen ist sehr klein. Die VP9 ist nämlich teuer. Insgesamt sollen sich nur etwa 250 Waffenkits in den USA befinden, so der Waffenexperte Ray Helms. Der Marktpreis ist weit höher als der vom Hersteller in der Schweiz angegeben – die Waffe soll bei 6000 US-Dollar gehandelt werden. Ein so hoher Preis deutet darauf hin, dass sie von Sammlern gesucht wird. Zum Vergleich: Ein Tier kann auch von einem Bolzenschussgerät oder von einer normalen Handwaffe getötet werden – hier liegen die Kosten bei 500 US-Dollar.STERN C Brian Thompson United Healthcare 19.45

Tatwaffe mit Vorgeschichte 

Die VP9 ist die Nachfolgerin der Welrod-Pistole. Die wurde im Zweiten Weltkrieg als lautloser Killer für Sonder- und Partisaneneinheiten entwickelt. Gebaut wurden keine 3000 Stück, trotzdem ist der Ruf der Waffe legendär. Im Kampf der Geheimdienste während des Kalten Krieges wurde sie zur idealen Waffe für einen Attentäter – das sei aber eher „der blühenden Fantasie der Drehbuchschreiber zu verdanken“, so das „DWJ“.

Der Schweizer Hersteller B&T ist vor allem für seine Schalldämpfer bekannt. Bei der VP9 zeigt B&T, welche Dämmung möglich ist. Normalerweise wird ein Dämpfer nachträglich für eine Waffe entwickelt. Anders bei der VP9, die Systemgruppe wurde als optimale Ergänzung für den Dämpfer gebaut. Der misst 154 Millimeter in der Länge und hat 35 Millimeter Durchmesser. Insgesamt befinden sich vier Kammern in dem Dämpfer, die die expandierenden Gase aufnehmen. Sie sind voneinander durch Gummischeiben getrennt. Durch einen kreuzförmigen Schlitz in den Scheiben entwischt das Geschoss, aber die Scheiben dämmen die Gase sehr effektiv ein. Beim Repetiervorgang entsteht noch ein Zischen – so effektiv wird das Gas eingeschlossen.

Unauffälliges Ploppen

Die starke Dämpferleistung hat bekannte Nachteile, das Geschoss erreicht nicht die kinetische Energie wie ohne Dämpfer. Bei einem Schuss auf kurze Entfernung wie in New York und erst recht auf einer Ranch spielt dieser Effekt keine Rolle. Die Gummischeiben verschleißen schnell und müssen nach zehn Schuss ausgetauscht werden. Dem Verkaufskit liegt daher ein weniger leistungsfähiger Trainingsdämpfer bei.Colt 18.50

Laien glauben, dass auch normale Schalldämpfer eine Waffe beinahe lautlos machen. Das ist im Film so, jedoch nicht in der Wirklichkeit. Die VP9 schafft es aber. Hier wird nicht nur der Schalldruck reduziert, auch die Charakteristik des Geräusches ändert sich, es erinnert nicht mehr an einen Schuss. „Unter normalen Umgebungsgeräuschen wird ein Schuss aus der VP9 daher akustisch untergehen“, so das „DWJ“. Auf dem Demonstrationsvideo von Ray Helms in stiller Umgebung ist nur ein leichtes Ploppen zu vernehmen, das Klicken des Verschlusses beim Nachladen ist auffälliger.

Kleiner Kreis von Besitzern

Die VP9 von B&T dürfte die beste Spur in dem Fall sein. Wenn es nur so wenige Exemplare in den USA gibt wie angenommen, könnte sie zum Täter führen. Der Kreis von Benutzern aus der Praxis wird durch den Legenden-Status der Waffe noch kleiner. Es ist wahrscheinlich, dass ein guter Teil in Sammlungen verwahrt wird. Angesichts des sehr hohen Preises dürften sich auch Wiederverkäufe nachverfolgen lassen.

Quelle: DWJ, Ray Helms