Frankreich startet nach Wahlerfolg der Rechtspopulisten in extrem kurzen Wahlkampf

Einen Tag nach der EU-Wahl ist Frankreich direkt in den nächsten Wahlkampf gestartet: Nach der überraschenden Ankündigung von Neuwahlen stellten die Parteien am Montag die ersten Weichen für die Abstimmung über das neue Parlament am 30. Juni. Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN), die bei der Europawahl am Sonntag einen klaren Sieg errungen hatte, zieht mit ihrem Vorsitzenden Jordan Bardella an der Spitze in den Wahlkampf. Das Regierungslager von Präsident Emmanuel Macron will hingegen alles daran setzen, um einen erneuten Wahlerfolg der Rechtspopulisten zu verhindern.

Macrons Liste Renaissance hatte bei der Europawahl am Sonntag eine heftige Wahlschlappe erlitten. Sie kam nach Auszählung aller Wahlbüros auf 14,6 Prozent der Stimmen, nicht einmal halb so viele wie die Rechtspopulisten des Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) mit ihren 31,5 Prozent. Die Sozialisten liegen mit 13,8 Prozent weniger als einen Punkt hinter dem Präsidentenlager. 

Macron rief daraufhin völlig überraschend Neuwahlen für das Parlament am 30. Juni und damit kurz vor den Olympischen Spielen in Frankreich aus. „Ich vertraue auf die Fähigkeit des französischen Wahlvolks, die beste Wahl für sich und für die künftigen Generationen zu treffen“, schrieb Macron am Montagmorgen im Onlinedienst X.

RN-Fraktionschefin Marine Le Pen, die 2027 erneut als Präsidentschaftskandidatin antreten will, berief noch am Wahlabend eine Sitzung der Parteispitze ein. „Wir sind bereit, Regierungsverantwortung auszuüben“, betonte sie. Die rechtsextreme Partei Reconquête mit Le Pens Nichte Marion Maréchal als Spitzenkandidatin zeigte sich bereits offen für eine Koalition.

Der EU-Abgeordnete Bardella, der schon bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat seiner Partei angetreten war, wird den RN auch in die Parlamentswahl führen. Bardella sei „unser Kandidat für Matignon“, sagte RN-Parteivize Sébastien Chenu am Montag dem Radiosender RTL mit Blick auf den Amtssitz des französischen Ministerpräsidenten. 

Die Parteien müssen nun einen äußerst kurzen Wahlkampf organisieren. Die erste Runde der Neuwahlen ist für den 30. Juni geplant, die zweite Runde soll dann am 7. Juli stattfinden.

Sollte der RN sich eine Regierungsmehrheit sichern, käme es erstmals seit 22 Jahren wieder zu einer „Cohabitation“ in Frankreich. Es war bislang drei Mal der Fall, dass der Präsident und die stärkste politische Fraktion im Parlament unterschiedlichen politischen Lagern angehören, zuletzt von 1997 bis 2002 mit dem konservativen Präsidenten Jacques Chirac und dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin. 

Auch das Regierungslager, das bei der Parlamentswahlen 2022 seine absolute Mehrheit verloren hatte, schaltete am Montag in den Wahlkampfmodus. Außenminister Stéphane Séjourné, der zugleich Chef von Macrons Partei Renaissance ist, rief zur „Mobilisierung aller republikanischen Kräfte“ auf. Sein Ministeramt will er trotz der Organisation des Wahlkampfs weiterhin ausüben. 

Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wies der bevorstehenden Wahl nach dem Erfolg der Rechtspopulisten bei der EU-Wahl eine historische Bedeutung zu. Es sei die Wahl, die die „schwersten Konsequenzen in der Geschichte der Fünften Republik haben wird“. Der Urnengang werde darüber entschieden, „was in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aus der französischen Nation wird“. Die Kurse an der Pariser Börse fielen am Montag nach der überraschende Neuwahl-Ankündigung um 2,37 Prozent.

„Es gab einen anderen Weg“, sagte die Vorsitzende der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, im Sender France 2 mit Blick auf die vorgezogene Neuwahl. Sie hoffe dennoch, dass es dem Regierungslager gelingen werde, eine „solide Mehrheit“ zu bilden.

Macron geht mit der Wahl nach Einschätzung von Experten ein hohes Risiko ein. „Es gibt einen sehr starken Wunsch seitens der Franzosen, den Präsidenten der Republik abzustrafen“, sagte die Meinungsforscherin Céline Bracq.

Die linken Parteien bemühten sich nach den Spannungen der vergangenen Monate derweil darum, vor der Wahl ihre Reihen zu schließen. Die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI) lud Vertreter der Sozialisten, der Kommunisten und der Grünen zu einem Treffen ein, wie LFI-Parteikoordinator Manuel Bompard erklärte. Ziel sei es, für „Einheit und Klarheit“ zu sorgen. Der Chef der Sozialisten, Olivier Faure, rief zur Bildung einer „Volksfront“ gegen die Rechtsaußen-Parteien auf. Bei der Europawahl war das ultrarechte Lager zusammen mit dem RN in Frankreich sogar auf fast 40 Prozent gekommen.

Der Wahlkampf fällt nun mitten in die heiße Phase der Vorbereitungen für die Olympischen Sommerspiele in Frankreich, die Ende Juli beginnen. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sagte am Montag, die Auflösung der Nationalversammlung kurz vor Beginn der Sommerspiele in der französischen Hauptstadt sei „extrem beunruhigend“. Sie versicherte aber, dass „nichts die Spiele verderben wird“. Auch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, betonte, dass die Wahl das Sportgroßereignis „nicht beeinträchtigen“ werde.