Northvolt, Intel und Co: Wie gescheiterte Großprojekte Habecks Wahlkampf belasten

Mit massiven Subventionen wollte Wirtschaftsminister Habeck Unternehmen nach Deutschland locken – doch in vielen Fällen läuft das nicht wie erhofft. Hat er Fehler gemacht?

Julia Klöckner hat sich einiges vorgenommen. Am Pult im Bundestag holt die CDU-Wirtschaftspolitikerin zu einer Generalabrechnung mit dem Wirtschaftsminister aus. „Sie sind dieser Aufgabe schlichtweg nicht gewachsen“, sagt sie. Was Robert Habeck hinterlasse, seien „keine schönen aufstrebenden Industrielandschaften“, sondern „planierte leere Felder“. 

Besonders an dem Ansatz, strategisch wichtige Unternehmen durch massive Subventionen ins Land zu locken, arbeitet sie sich ab. „All die Subventionsrekorde, sie haben nicht geholfen.“ Beim schwedischen Unternehmen Northvolt, das eine Batterie-Fabrik in Schleswig-Holstein bauen sollte, wirft Klöckner dem Minister sogar vor, „geschlampt“ zu haben. „Ihnen waren schöne Bilder wichtiger, beim Spatenstich, als die Prüfung von Steuergeld.“

Habeck steht mit seinem Ansatz unter Druck

Auf seinem Platz im Plenum hat sich Habeck seine Lesebrille aufgesetzt und richtet den Blick konzentriert auf Unterlagen vor ihm, unterstreicht einzelne Abschnitte mit einem Kugelschreiber. Doch die demonstrative Gelassenheit kann nicht überdecken, dass sich hier etwas zu einem ausgemachten Problem auswächst – für ihn, den Bundeswirtschaftsminister, der seine Grünen in den Bundestagswahlkampf führt.

Lindner warnt Merz vor Habeck 8:34

Mit seinem Ansatz in der Industriepolitik steht Habeck jetzt, pünktlich zum Wahlkampf, stark unter Druck. Eigentlich sollten es Erfolgsmeldungen werden, dafür, wie attraktiv Deutschland für ausländische Unternehmen sein kann, wie der Wirtschaftsminister das Land bei Schlüsseltechnologien unabhängiger von autokratischen Regimen macht, wie der Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft gelingt. Die erfolgreichen Ansiedlungen hätten ihm in der ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Lage vielleicht ein paar Pluspunkte beschert, sie hätten ein paar Lichtblicke sein können.

Nun aber hagelt es alle paar Wochen Meldungen des Scheiterns, manchmal noch schneller. Die Chip-Fabrik von Intel in Magdeburg liegt auf Eis, ebenso die Fabrik, die das US-Unternehmen Wolfsspeed im Saarland bauen sollte. Die französische ACC hat den Bau ihrer Batteriezellenfabrik in Kaiserslautern bereits im Juni unterbrochen. Und nun könnten bei Northvolt sogar 620 Millionen Euro, die bereits bezahlt wurden, für den Steuerzahler verloren sein – weil das schwedische Unternehmen insolvent ist und den Bau in Schleswig-Holstein erstmal nicht weiterführt. Im Winterwahlkampf hängen Habeck die Meldungen des Scheiterns wie ein Mühlstein um den Hals. Hätte er es besser wissen müssen? 

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Die derzeitige wirtschaftspolitische Debatte sei „nicht hilfreich“, sagt Habeck im Bundestag. Diese Art von Investitionen in Deutschland möglich zu machen, sei „gut und richtig“. Man kann seinem Ministerium hehre Motive unterstellen: Mit der Ansiedlung von Northvolt wollte man erreichen, dass im eigenen Land Batterien hergestellt werden, die für die Zukunft der Autoindustrie wichtig sind. Derzeit kommt ein Großteil der Batterien aus China, diese Abhängigkeit möchte man verringern. Eine stolze Summe von 1,3 Milliarden Euro sicherte man Northvolt zu, 620 Millionen könnten mit der Insolvenz nun verloren sein. Die insgesamt hohen Summen dürften auch damit zusammenhängen, dass die USA vorlegten: Präsident Biden pumpte mit seinem „Inflation Reduction Act“ massiv Geld in die Wirtschaft, um Unternehmen zu sich zu locken. Deutschland steht im internationalen Wettbewerb. 

Experte: „kein probates Mittel“

Aber sollte diese Art der Subventionspolitik überhaupt der richtige Weg für die deutsche Wirtschaft sein? Daran melden führende Wirtschaftsexperten erhebliche Zweifel an. „Ansiedlungssubventionen sind kein probates Mittel, um den Industriestandort Deutschland dauerhaft zu stärken“, sagt Dirk Dohse vom Kieler Institut für Weltwirtschaft dem stern. Ähnlich sieht es Reint Gropp. „Wir sollten uns auf die Stärke Deutschlands besinnen, statt zu versuchen, solche Fabriken hierherzulocken, für die es sich nur rentiert, wenn der Staat riesige Mengen Geld zuschießt“, sagt der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung dem stern. Unter anderem durch vergleichsweise hohe Löhne und Energiekosten sei Deutschland „nicht der ideale Ort für die Massenproduktion, aber ein guter Ort für die Forschung und die Neuentwicklung von Produkten“.

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Das Argument, dass Deutschland durch die Ansiedlungen unabhängiger von China würde, lässt Gropp nicht gelten. „Hätte etwa Intel in Magdeburg geklappt, wären wir trotzdem weiterhin von China abhängig“, sagt der Wirtschaftsforscher, „denn die Rohstoffe kommen weiter von dort, einige Zwischenprodukte, und teils auch die Maschinen, die wir für die Produktion brauchen.“ Am Ende erreiche man durch die Subventionen keine Unabhängigkeit. „Es muss stattdessen darum gehen, Lieferketten weiter zu diversifizieren – die Chips nicht nur von China zu kaufen, sondern auch von anderen Ländern.“ 

Olaf Scholz: „Das werden wir auch weitermachen“

Beide Experten sähen das Geld besser investiert, würde man die Rahmenbedingungen hierzulande insgesamt verbessern. Bei Subventionen für Ansiedlungen ist das „Risiko, dass knappe Steuermittel fehlgeleitet werden“ nach Ansicht von Dohse „sehr hoch“. Man müsse deshalb besser die „bekannten Standortprobleme beherzt“ angehen, also Energiepreise senken, Bürokratie abbauen, die Infrastruktur verbessern, in Bildung investieren, und Forschung steuerlich fördern.

Mit ihrer Kritik scheinen die Experten, zumindest bislang, nicht bis zur Regierung durchzudringen. Auch das Kanzleramt hält diese Art der aktiven Industriepolitik für richtig. Bei der Elektromobilität komme es darauf an, dass strategische Komponenten in Europa hergestellt würden, sagte Olaf Scholz jüngst. Deshalb sei es richtig, dass der Bund den Bau von Batteriefabriken fördere. Der Kanzler von der SPD sieht auch angesichts der jüngsten Meldungen keinen Grund, von dem Ansinnen abzurücken. „Das werden wir auch weitermachen“, sagte er. 

Immerhin, nicht alle Projekte sind gescheitert – die Regierung kann auch einige Erfolge vorweisen, etwa die Ansiedlung des taiwanesischen Chipherstellers TSMC in Dresden. Doch sei das trotzdem nicht unbedingt eine „Erfolgsgeschichte“, gesamtwirtschaftlich gesehen, sagt Wirtschaftsforscher Dohse. „Es kommt immer darauf an, ob die Höhe der Subvention in einem vernünftigen Verhältnis zum erwartbaren Nutzen steht.“ Daran zweifelt er.

Drei Fragen zu Atomstromdebatte Habeck 13.28

Weil die Kritik massiv auf Habeck eindonnert, versucht der Wirtschaftsminister jetzt offenbar, die Union in Mithaftung zu nehmen: Er wolle darauf hinweisen, dass viele Projekte unter der Führerschaft von Angela Merkel und Peter Altmaier entwickelt worden seien, sagt er im Bundestag. „Und das war gut und richtig“. In der Tat hat der ehemalige CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier Vorstöße in diese Richtung gewagt – er schrieb etwa 2019 ein Papier, in dem er eine solche Subventionspolitik in Ansätzen skizziert. Habeck ergänzt, dass die CDU-Ministerpräsidenten darauf gedrungen hätten, „dass wir die Investitionen hier möglich machen“. Man habe in einem parteiübergreifenden „Schulterschluss“ getan, was vernünftig ist – so sieht Habeck die Lage.

Allerdings liegt auch auf der Hand, dass eine Oppositionspartei beim Scheitern davon nicht mehr viel wissen will. Es ist schließlich Wahlkampf. Habeck spricht von einem „Gedächtnisverlust“, davon, wie „äußerst bedauerlich“ der sei. Bloß, wie viel ihm dieses öffentliche Bedauern helfen wird? 

Immerhin, es ist tatsächlich so: Die Northvolt-Zahlungen, die nun verloren sein könnten, schlagen nicht nur beim Bund zur Kasse – sondern zur Hälfte auch beim CDU-Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein.