Die Gründung des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern des Bündnisses Sahra Wagenknecht verläuft geräuschlos. Bei den Wahlen gibt es keine Gegenkandidaten. Dafür wird im Vorfeld gesorgt.
Zweieinhalb Monate vor der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar hat das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einen Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern gegründet. Angeführt wird die Partei mit aktuell 50 Mitgliedern von einer Doppelspitze aus dem Staatssekretär im Schweriner Justizministerium, Friedrich Straetmanns (63), und der Pastorin Melanie Dango (48) aus Stavenhagen (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte).
Straetmanns erhielt bei der Gründungsversammlung in Parchim 75 Prozent der Stimmen, Dango wurde mit 81,8 Prozent gewählt. Das teilte die Versammlungsleitung mit. Die Presse wurde für die Wahl des Landesvorstandes und die Diskussion über die Kandidaten ausgeschlossen.
Straetmanns auf Platz eins der Liste zur Bundestagswahl
Straetmanns führt auch die Kandidatenliste für die Bundestagswahl am 23. Februar an. Er wurde mit 76,2 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt. Auf Platz zwei kam Dango mit 85,8 Prozent der Stimmen. Gegenkandidaten gab es bei dieser Wahl nicht, ebenso wie bei der Wahl zum Landesvorsitz.
Straetmanns ist ein alter Bekannter von Parteigründerin Sahra Wagenknecht. Bevor er 2021 seinen Job in Schwerin antrat, saß der aus Bielefeld stammende Politiker für die Linke im Bundestag. Er und Wagenknecht waren Fraktionskollegen. Der 63-Jährige war zuvor lange Jahre Mitglied in der SPD, später in der WASG und zuletzt bis August in der Partei Die Linke. Dann wechselte er zum BSW.
Gegenkandidat für Vorsitz zieht für „die Sache“ zurück
Bei der Wahl zum Landesvorsitzenden wollte zunächst Toralf Herzer aus Rostock gegen Straetmanns antreten, der als Favorit der Parteizentrale in Berlin galt. Nach einer Zoom-Konferenz der BSW-Mitglieder in MV am Abend vor der Gründungsversammlung habe er jedoch entschieden, nicht zu kandidieren, sagte er auf Anfrage. Es habe sich abgezeichnet, dass er keine Chance gegen Straetmanns haben würde. „Ich glaube, es ist gesünder für das BSW, wenn wir eine große Einheit nach außen demonstrieren.“ Es gehe um die Sache.
Melanie Dango ist im Gegensatz zu Straetmanns nach eigenem Bekunden ein politischer Neuling. Ihr seien die Themen soziale Gerechtigkeit und Frieden wichtig, betonte sie. Unterschiedliche Meinungen müssten nebeneinanderstehen dürfen. „Das wünsche ich mir“, sagte sie. Die 48-Jährige ist Pastorin und bei der Ökumenischen Arbeitsstelle der Nordkirche in Rostock tätig.
Wissenschaftler: BSW von oben gesteuert
Der BSW-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern ist der 14. bundesweit, wie die Bundesvorsitzende Amira Mohamed Ali in einer Rede in Parchim sagte. Keinen Landesverband gibt es demnach bisher in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Der Rostocker Politikwissenschaftler Jan Müller sagte der Deutschen Presse-Agentur, es habe ein Geschmäckle, wenn die Öffentlichkeit von einem wichtigen Teil eines Parteitags ausgeschlossen wird. Eine Vorsitzendenwahl sei eine Sache, die durchaus öffentlich sein müsse. Der Rückzug von Herzer von der Kandidatur für den Landesvorsitz zeige, dass die Partei von oben gesteuert sei. „Man will hier keine Überraschung“, sagte er. In dem Zusammenhang überrasche ihn allerdings die bislang im politischen Geschehen unbekannte Co-Vorsitzende Melanie Dango.
Linke: Straetmanns soll als Staatssekretär zurücktreten
Die Linke als frühere Partei von Straetmanns forderte dessen Rücktritt als Staatssekretär von Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke). „Ich erwarte, dass er sich vom Dienst freistellt und sein Rücktrittsgesuch am Montag vorliegt“, erklärte der Linken-Landesvorsitzende Hennis Herbst. „Alles andere würde die Vermutung bestätigen, dass er mit seinem Parteiwechsel einen lukrativen Posten beim BSW erhalten wollte und gleichzeitig das Land als Selbstbedienungsladen begreift, um als Staatssekretär nochmal ordentlich Gehalt abzugreifen.“
Bisher hat Straetmanns alle Rücktrittsforderungen zurückgewiesen. Zeitweilig entband Bernhardt ihn von seinen Aufgaben als Staatssekretär bei vollem Gehalt. Seit Anfang Dezember nimmt er seine Position jedoch wieder wahr. Er hatte laut Ministerium damit gedroht, eine amtsangemessene Beschäftigung durchsetzen zu wollen. „Dem bin ich nach rechtlicher Prüfung zuvorgekommen“, so Bernhardt. Straetmanns zu entlassen, ist der rot-roten Landesregierung nach eigenem Bekunden zu teuer. Ihm stünde in dem Fall ein erhebliches Ruhegehalt zu.
Politikwissenschaftler Müller nannte es ein „Unding“, dass der Landesvorsitzende einer konkurrierenden politischen Kraft Teil der rot-roten Landesregierung von MV ist. Straetmanns nehme als Staatssekretär an internen Beratungen teil und gelange an interne Informationen. „Man kann der Linken und der Landesregierung bloß raten, sich da stärker von zu trennen.“