Bahn: Hunderte neue Ausbildungsstellen gegen Lokführermangel

Durch den Mangel an Lokführern fallen in NRW jeden Tag zahlreiche Züge aus. Doch die Job-Offensive der Branche wirkt, und auch der Verkehrsminister macht Reisenden Hoffnung.

Wegen des großen Personalmangels bei der Bahn will die Branche die Zahl ihrer Ausbildungsplätze für Lokführer in Nordrhein-Westfalen noch einmal um gut 50 Prozent aufstocken. 2025 werde es 700 Plätze für angehende Lokführer geben, teilte das Landesprogramm Fokus Bahn NRW auf Anfrage mit. Das sind 55 Prozent mehr als 2024 und gut dreimal so viele wie 2023.

„Das Ziel ist, dass die Fahrgäste im Laufe des Jahres 2026 nicht mehr die Ansage „Zugausfall wegen Personalmangel“ hören müssen“, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. Durch die Job-Offensive sei die Branche auf einem guten Weg. „Neben der Sanierung der Infrastruktur ist das der entscheidende Baustein, um das Angebot im Schienennahverkehr für die Fahrgäste endlich wieder verlässlich zu machen“, betonte der Minister.

Unternehmen kämpfen gemeinsam gegen die Personalnot

Die Zuverlässigkeit der Regional- und S-Bahn-Züge in Nordrhein-Westfalen hatte in den vergangenen Jahren immer neue Tiefpunkte erreicht. 2023 fiel laut Qualitätsbericht Schienenverkehr rund jeder siebte Zug aus – ein häufiger Grund waren fehlende Lokführer. Denn die Ausbildung neuer Fachkräfte war jahrelang weit hinter dem Bedarf zurückgeblieben. Auch nach dem Fahrplanwechsel am 15.12. wird es auf mehreren Linien Einschränkungen durch fehlendes Personal geben.

Seit fünf Jahren bündeln elf Bahnunternehmen mit Unterstützung vom Land ihre Maßnahmen gegen den Personalmangel. In diesem Jahr hätten 450 Lokführer in ihre Ausbildung begonnen, 350 davon in unternehmensübergreifenden Kursen der Initiative Fokus Bahn. „Der Start ist damit gelungen, aber das reicht noch nicht“, sagte Krischer. „Wir werben gezielt auch um Quereinsteiger, die in gut einem Jahr für den neuen Job fit gemacht werden. Das wird spürbare Effekte haben.“

Abwärtstrend bei der Zuverlässigkeit gestoppt

Schon 2024 habe es für die Fahrgäste erste spürbare Verbesserungen gegeben, sagt Fokus-Bahn-Programmleiter Joachim Künzel. So sei die Zahl der Zugausfälle durch fehlendes Personal nach einer vorläufigen Schätzung wieder etwas gesunken – zum ersten Mal seit Jahren. Vor allem beim größten Anbieter in NRW, der DB Regio, habe sich die Personalsituation verbessert. Auch bei anderen Unternehmen sei die Talsohle durchschritten.

„Insgesamt sind wir auf dem richtigen Weg“, sagt Künzel. Doch der Bedarf an neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bleibe auch in den kommenden Jahren hoch: Von den 3.300 Lokführern in NRW gehen derzeit jedes Jahr etwa 5 Prozent in Rente. Auch die Fluktuation sei hoch – pro Jahr verlassen gut zehn Prozent der Beschäftigten die Unternehmen. Hinzu kommen die jüngsten Tarifverträge, durch die Lokführer ihre Wochenarbeitszeiten verkürzen können. All das müsse durch neue Fachkräfte ausgeglichen werden.

Staatliche Hilfe läuft aus

In den vergangenen Jahren hat das Land Nordrhein-Westfalen Millionenbeträge in den Ausbau der Lokführerausbildung investiert. So sollten noch stärkere Einschränkungen beim täglichen Zugverkehr verhindert werden. Doch allmählich soll die Branche wieder stärker selbst die Verantwortung für die Personalplanung übernehmen.

Für die kommenden beiden Jahre stellt der Staat noch einmal bis zu zehn Millionen Euro für das Aktionsprogramm Fokus Bahn bereit. Danach sollen die Bahnunternehmen auch ohne staatliche Hilfe genügend Personal ausbilden.

Dass das notwendig sei, sei auch überall angekommen, ist Künzel sicher. Denn Zugausfälle sind nicht nur für die Reisenden nervig – sie belasten auch die Bilanzen der Bahnunternehmen massiv. „Es ist für die Unternehmen wirtschaftlich ein Drama, wenn sie ihre Leistungen nicht erbringen können“, betont Künzel.

Lob vom Fahrgastverband

Der Fahrgastverband Pro Bahn ist durchaus zufrieden mit der jüngsten Entwicklung. Beim Thema Personalgewinnung seien viele richtige Entscheidungen getroffen worden, sagt Sprecher Lothar Ebbers. „Die Branche tut sehr viel.“ Doch bevor Regionalzüge und S-Bahnen wieder wirklich zuverlässig fahren, gebe es noch eine zweite große Aufgabe zu lösen: Die vielen nötigen Bauarbeiten am Schienennetz. Reisende müssten sich deshalb auch in den kommenden Jahren noch auf einige Einschränkungen einstellen.