Die Fußball-EM ist eine große Party mit vielen Unbekannten. Sicherheitskräfte stehen vor einer gigantischen Herausforderung. Ein Terrorexperte spricht über weiche Ziele.
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Auch nicht für eine Fußball-EM ohne gewalttätige Hooligans, Terror oder Cyberattacken. Wenn die deutsche Nationalmannschaft am Freitag um 21.00 Uhr die EM-Festwochen gegen Schottland eröffnet, steigt nicht nur bei der DFB-Elf der Nervenkitzel.
Auch die Sicherheitskräfte, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und UEFA-Präsident Aleksander Ceferin stehen einen Monat lang unter Hochspannung. „Mehr und mehr Gewalt. Mehr und mehr Aggression. Die Weltlage ist nicht ideal“, sagte Ceferin in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Deutschland träumt von einem zweiten Sommermärchen. Die Eskalation im Nahen Osten, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und nicht zuletzt das Attentat in Mannheim trüben bei vielen Menschen jedoch die Vorfreude. „Die Sicherheitslage ist angespannt“, gestand Faeser. Das gelte für den Cyberbereich ebenso wie für den Islamismus und andere Bereiche. Es gebe aber keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge während der EM.
Fast die Hälfte der Bevölkerung sorgt sich, dass es im Rahmen des Turniers vom 14. Juni bis 14. Juli in Deutschland zu Terroranschlägen kommen könnte. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov zusammen mit dem Sinus-Institut veröffentlicht hatte. Demnach sind 12 Prozent der Befragten voll und ganz besorgt sowie 35 Prozent eher besorgt. 24 Prozent seien eher nicht besorgt, 12 Prozent überhaupt nicht besorgt. 16 Prozent der Befragten hatten keine Meinung oder machten keine Angaben.
Anschläge auf weiche Ziele wahrscheinlicher
Der IS-Anschlag in Paris während Spiels zwischen der deutschen und französischen Fußball-Nationalmannschaft 2015 oder jener auf schwedische Fußballfans in Brüssel im vergangenen Jahr zeigen, dass Sorgen grundsätzlich nicht unberechtigt sind. Anschläge auf solch weiche Ziele im öffentlichen Raum wie Stadienzufahrten oder Public Viewings seien wahrscheinlicher, da die Absicherung großer Menschenmassen hier schwieriger sei, sagte Terrorexperte Johannes Saal der dpa.
Seit Jahren wappnen sich die Sicherheitsbehörden daher für alle denkbaren Gefahren, damit die rund 2,7 Millionen Fans in den Stadien und bis zu 12 Millionen Besucher auf den Fanmeilen die EM genießen können. „Natürlich durch die ganze Lage, die Veränderung in den letzten Jahren, sogar in den letzten Wochen muss immer eine Anpassung vonstattengehen. Das passiert aber“, berichtete Turnierleiter Philipp Lahm und äußerte weiter: „Ich vertraue unseren Sicherheitsbehörden, aber natürlich zu 100 Prozent Sicherheit, das wird es in der heutigen Zeit nicht geben“.
Hilfe aus dem Ausland
In einem neu aufgebauten Lagezentrum der Polizei in Nordrhein-Westfalen wird die Sicherheitslage während der EM gesteuert. Über 600 Beamte aus dem In- und Ausland arbeiten in dem „International Police Cooperation Center“ in Neuss.
Über den Arenen gelten etwa Flugbeschränkungen. Während des Turniers werden rund 350 ausländische Polizeikräfte in Deutschland eingesetzt. „An allen Spielorten und überall, wo sich viele Menschen bewegen, gilt: Die Polizei wird hohe Präsenz zeigen. Die Bundespolizei wird die deutschen Grenzen, Flughäfen und den Bahnverkehr schützen, wo sich Nationalmannschaften und Fans bewegen“, kündigte Faeser an. Nach der Messerattacke in Mannheim, bei der ein 25-jähriger Afghane einen Polizisten tödlich verletzt hatte, stehen auch potenzielle Einzeltäter im Fokus.
Eine Party, viele Unbekannte
Dass die Behörden durchgreifen, zeigte sich vergangene Woche, als die Bundesanwaltschaft am Flughafen Köln/Bonn einen mutmaßlichen IS-Unterstützer festnehmen ließ. Gegen den Verdächtigen wird den Angaben nach wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland und Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz ermittelt. Die „Bild“-Zeitung berichtete auch über eine Verbindung zur bevorstehenden EM. Den Bericht wollte der Sprecher der Bundesanwaltschaft nicht kommentieren.
Die außen- und innenpolitische Lage ist schwierig. Faeser rät den Menschen dennoch, das Turnier zu genießen. „Freut euch auf das Turnier. Geht hin“, appellierte die Ministerin im Deutschlandfunk. Die große Fußball-Party kann also beginnen. Auch wenn nicht klar ist, wer alles kommt.