Auch beim dritten Auftritt im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zum Cum-Ex-Skandal bleibt Kanzler Scholz dabei: Es habe keine Einflussnahme der Politik gegeben.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht im Umgang mit dem Cum-Ex-Skandal in Hamburg weiterhin keine politische Einflussnahme. Das betreffe sowohl die private Warburg Bank als auch die damals staatliche HSH Nordbank, erklärte der frühere Bürgermeister der Hansestadt in seiner inzwischen dritten Zeugenaussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft.
Scholz: Steuerbetrug kein Bagatelldelikt, sondern schwere Straftat
Steuerhinterziehung und Steuerbetrug seien „keine Bagatelldelikte, sondern schwere Straftaten“ und zudem unsolidarisch, sagte Scholz. „Mein ganzes politisches Leben habe ich mich für ein gerechtes Steuersystem eingesetzt.“ Für ihn sei klar, Steuerhinterziehung und Gestaltungsmodelle wie Cum-Ex oder Cum-Cum „gehören konsequent aufgeklärt und verfolgt“.
Ursprünglich hatte der Ausschuss nur eine mögliche politische Einflussnahme auf den Steuerfall der in den Skandal verstrickten Hamburger Warburg Bank untersucht. Auf Drängen der Opposition war er Ende 2022 auf weitere Cum-Ex-Fälle erweitert worden.
Fast 30 Cum-Ex-Fälle bei der HSH Nordbank
Die HSH Nordbank hatte sich zwischen 2008 und 2011 in 29 Fällen Kapitalertragssteuern erstatten lassen, die zuvor gar nicht gezahlt worden waren. Das hatte eine Untersuchung der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance ergeben, die von der Bank selbst beauftragt worden war.
Die Fälle seien bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und 2014 schließlich rund 126 Millionen Euro an die Steuerverwaltung zurückgezahlt worden, hatte die Bank mitgeteilt. Ende 2018 war die ehemalige Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein auf Anweisung der EU-Kommission an US-Investoren verkauft und nach der Privatisierung in Hamburg Commercial Bank (HCOB) umbenannt worden.
Scholz: Cum-Ex-Fälle bei der HSH Nordbank gut aufgearbeitet
Scholz sagte, sein Eindruck sei gewesen, dass die Cum-Ex-Fälle bei der HSH Nordbank mit der Rückzahlung und dem Bericht gut aufgearbeitet worden seien. Dass die staatliche HSH Nordbank wegen der Fälle weder strafrechtlich verfolgt noch gegen sie ein Bußgeld verhängt worden sei, sei ihm nicht erinnerlich und habe für ihn auch keine Rolle gespielt.
Ihm sei es in den vielen Gesprächen vor allem darum gegangen, wie das angeschlagene Kreditinstitut gerettet und Schaden von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern abgewendet werden könnte. Ganz sicher habe aber keiner der politisch Beteiligten in Hamburg und Schleswig-Holstein jemals daran gedacht, dass eine Rückzahlung unterbleiben könnte, sagte Scholz. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Summe auch viel zu gering gewesen wäre, um die HSH Nordbank zu retten. Denn dort ging es um Risiken in Milliardenhöhe.
Carstensen: Probleme der Bank standen im Mittelpunkt
Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte, er habe von Cum-Ex- oder Cum-Cum-Geschäften bei der HSH Nordbank nichts gewusst. Und der Warburg-Gesellschafter Christian Olearius sei ihm nicht bekannt. „Nach meinem Wissen hat es kein Treffen gegeben.“
Auch für ihn hätten die Probleme der HSH im Mittelpunkt gestanden, etwa bei Gesprächen mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Über gefährliche Geschäfte der Bank habe er nie etwas erfahren. „Ich bin nicht informiert worden über solche Geschäfte“, sagte der 77-Jährige.
Schleswig-Holsteins frühere Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) sagte, ihr Vertrauen sei groß gewesen, dass die Dinge im Zuge der Aufarbeitung der HSH Nordbank-Fälle bei den zuständigen Stellen geklärt würden – „bei der Finanzbehörde und der Hamburger Staatsanwaltschaft“.
Hamburgs früherer Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) – er leitete das Ressort von 2001 bis 2006 und wurde danach Aufsichtsratsvorsitzender der HSH Nordbank – sagte, er habe erst aus der Presse von den Cum-Ex-Geschäften der Bank erfahren. Im Aufsichtsrat seien sie kein Thema gewesen.
Ausschuss drehte sich ursprünglich nur um die Warburg Bank
Bundeskanzler Scholz war bereits zwei Mal vor dem Ausschuss als Zeuge aufgetreten, hatte im Zusammenhang mit Geschäften der Warburg Bank mehrfach erklärt, sich nicht erinnern zu können, aber eine politische Einflussnahme ausschließen zu können.
Der Ausschuss war Ende Oktober 2020 eigentlich eingerichtet worden, um eine mögliche politische Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die steuerliche Behandlung der Hamburger Privatbank zu klären. Hintergrund waren drei Treffen des damaligen Bürgermeisters Scholz mit den Warburg-Gesellschaftern Christian Olearius und Max Warburg 2016 und 2017, die Scholz erst nach und nach bestätigt hatte. Gegen Olearius war damals bereits wegen des Verdachts des schweren Steuerbetrugs ermittelt worden.
Nach den ersten Treffen hatte die Finanzverwaltung entgegen ursprünglicher Pläne auf die Rückforderungen von 47 Millionen Euro zu unrecht erstatteter Kapitalertragssteuer gegen die Bank verzichtet – und diese nach Ansicht der an der Entscheidung Beteiligten in die Verjährung laufenlassen. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst auf Weisung des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.
SPD und Grüne wollen CDU-Regierungsmitglieder vernehmen
Während SPD und Grüne keinen Beleg für eine politische Einflussnahme sehen, werten CDU, Linke und AfD Indizien als Beleg dafür, dass sowohl Scholz als auch Tschentscher Einfluss genommen hätten. Beim Komplex der HSH Nordbank möchten SPD und Grüne auch noch die früheren CDU-Bürgermeister Ole von Beust und Christoph Ahlhaus befragen.
Letzter Termin für die Zeugenbefragung ist bislang der 20. Dezember. Danach geht es den Planungen zufolge ausschließlich um das Erarbeiten des Abschlussberichts, über den am 17. Januar abschließend entschieden werden soll. Sollte der angedachte Fahrplan halten, würde der vor mehr als vier Jahren beschlossene Untersuchungsausschuss regulär noch vor der nächsten Bürgerschaftswahl am 2. März enden.