Die CDU festigt bei der Europawahl ihren Spitzenplatz in NRW. Ihr Grünen-Koalitionspartner stürzt dagegen ab. Die SPD erlebt weitere Desaster in ihrer einstigen „Herzkammer“.
Freude bei der CDU, Schock bei den Grünen und Enttäuschung bei der SPD: Die CDU hat bei der Europawahl in Nordrhein-Westfalen ihren Spitzenplatz ausgebaut. Die Christdemokraten legten laut vorläufigem Ergebnis um gut drei Punkte auf 31,2 Prozent sogar stärker zu als im Bund. Auf Platz zwei folgte die SPD, die mit 17,2 Prozent ihr zuvor schlechtestes Ergebnis bei der Europawahl von 2019 nochmals um zwei Punkte unterschritt. Die Grünen stürzten nach ihrem Topergebnis von 2019 um fast zehn Punkte auf 13,5 Prozent ab. Die AfD legte in NRW um gut vier Punkte auf 12,6 Prozent zu. Anders als im Bund landeten die Rechtspopulisten im bevölkerungsreichsten Bundesland aber nur auf Platz vier.
Das Ruhrgebiet ist CDU-Bastion
Die SPD musste vor allem in ihrer einstigen „Herzkammer“ Ruhrgebiet weitere herbe Verluste hinnehmen. Die Sozialdemokraten kamen laut vorläufigem Ergebnis landesweit in Kreisen und kreisfreien Städten nur noch in Herne auf Platz eins. Dort lagen sie mit 23,9 Prozent hauchdünn vor der CDU (23,7 Prozent). In den Stahl- und einstigen Kohlestädten Duisburg, Gelsenkirchen, Bottrop und Oberhausen löste die CDU die SPD auf dem Spitzenplatz ab.
Auch die Grünen verloren in mehreren Städten ihre bei der Europawahl 2019 errungene Vormachtstellung. In Dortmund, Wuppertal, Bielefeld und Bonn verdrängte die CDU die Grünen von Platz eins. Während sich die Grünen in der Millionen-Stadt Köln trotz Verlusten mit 24,3 Prozent auf dem Spitzenplatz behaupteten, wurde die CDU in den anderen größten Städten des Landes wie Düsseldorf, Dortmund und Essen stärkste Kraft.
Wüst sieht Wähler-Botschaft an die Ampel: „Hört auf Euch zu streiten“
Er freue sich besonders, dass die CDU in NRW sogar noch vor dem bundesweiten Durchschnitt liege, sagte Landesparteichef und Ministerpräsident Hendrik Wüst am Sonntagabend in der Düsseldorfer Parteizentrale. Der „tolle Erfolg“ bestätige den Kurs der Mitte. Die Abstimmung sei aber auch ein klares Signal der Wähler an die Ampel: „Hört auf, Euch zu streiten und macht endlich Politik für die Menschen in diesem Land.“
Der Generalsekretär der NRW-CDU, Paul Ziemiak, sieht die Zusammenarbeit der schwarz-grünen Landesregierung trotz der Verluste der Grünen stabil. Die Wahl sei zum großen Teil auch eine Abstimmung über die Ampel und die Streitereien in Berlin gewesen, sagte der Bundestagsabgeordnete am Montag im WDR5-„Morgenecho“. „Das wollen die Menschen nicht, das hat weniger mit den Grünen in Nordrhein-Westfalen zu tun, sondern eher mit der Ampel in Berlin.“
Der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Achim Post bezeichnete das schlechte Abschneiden der SPD bei der Europawahl in Bund und Land als Warnsignal. „Die Zahlen lügen nicht, und die Bundesregierung muss deutlich besser werden“, sagte Post, der auch Co-Vorsitzender der NRW-SPD ist, im WDR5-„Morgenecho“. Die Ampel in Berlin streite bei vielen Entscheidungen zu lange. Ein Personalproblem mit ihrem Kanzler Olaf Scholz habe die SPD aber nicht, so Post. Die Doppelspitze der NRW-SPD, Sarah Philipp und Post, hatte bereits am Sonntagabend „eine klare Niederlage“ eingeräumt, aus der sie für die nächsten Kommunal- und Bundestagswahlen Lehren ziehen wollen.
Für die Grünen nannte der Co-Landesvorsitzende Tim Achtermeyer das Ergebnis bitter. „Wir haben es offenbar nicht geschafft, für unsere Ziele zu begeistern. Stattdessen haben wir bei Menschen das Gefühl ausgelöst, dass wir sie mit unseren Instrumenten überfordern“, sagte er am Montag. Es sei kein Geheimnis, dass der Regierungsstil der Ampel wenig Rückhalt bekommen habe. „In NRW pflegen wir einen anderen Stil. Und für den sehe ich Rückenwind.“
AfD auch in NRW im Aufwind
Die größte Zustimmung gibt es für die AfD mit 21,7 Prozent in Gelsenkirchen. Im Ruhrgebiet konnte die AfD unter anderem auch in Bottrop und Duisburg ihre besten Ergebnisse erzielen. NRW-Partei- und Fraktionschef Martin Vincentz führte die Zuwächse für die AfD trotz der widrigen Umstände im Wahlkampf darauf zurück, dass die Partei bei Arbeitern, Angestellten und Selbstständigen sehr stark sei. In diesen Gesellschaftsschichten zeige sich klar die Enttäuschung mit der Ampel in Berlin, sagte Vincentz im WDR5. Die Menschen plagten große Zukunftsängste und sie sähen, dass es im Land und Bund nicht wirklich vorangehe.
Die FDP kam in NRW auf 6,3 Prozent (2019: 6,7) und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf Anhieb auf 4,4 Prozent. Für das BSW zieht der frühere Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel, der von der SPD zum BSW gewechselt war, als Abgeordneter ins Europaparlament. Die Wahlbeteiligung verbesserte sich in NRW laut Landeswahlleiterin leicht um zwei Punkte auf 63,4 Prozent.
20 Abgeordnete aus NRW im neuen EU-Parlament
Nordrhein-Westfalen entsendet laut vorläufigem Ergebnis 20 der insgesamt 96 Abgeordneten Deutschlands ins Europaparlament. Mit sechs Mandaten errang die CDU die meisten Plätze, wie die Landeswahlleiterin am Montagmorgen mitteilte. Das wären genauso viele Mandate wie bisher im Europaparlament.
Die NRW-SPD entsendet dem vorläufigen Ergebnis zufolge nur noch zwei Abgeordnete (2019: 4), die Grünen nur noch drei (2019: 4). Dazu gehört die deutsche Grünen-Spitzenkandidatin Terry Reintke, die auch Vorsitzende ihrer Fraktion im EU-Parlament ist. Die AfD kommt wie bisher auf zwei Mandate. Die NRW-FDP entsendet ebenfalls zwei Abgeordnete. Dazu gehört die deutsche FDP-Spitzenkandidatin und prominente Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Auch das BSW, die Linke, die Tierschutzpartei, die Partei Familie sowie die PdF gewannen je ein Mandat für Bewerber aus NRW. Das neugewählte Europäische Parlament wird insgesamt 720 Sitze haben. Eine Sperrklausel bei der Wahl gab es nicht.
Informationen zur Wahlteilnahme Ergebnisse Europawahlen in Deutschland Wahl-Dashboard IT.NRW Infos der Landeswahlleiterin NRW Vorläufiges Ergebnis NRW 2024