Zweimal hat die AfD in Sachsen schon eine Bundestagswahl gewonnen, nun folgt zum zweiten Mal der Sieg bei einer Europawahl. Der Umstand an sich überrascht nicht, das deutliche Ergebnis dagegen schon.
Nach dem Votum der Sachsen für das Europaparlament rechnet der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger mit einer spannenden Landtagswahl am 1. September. Da SPD, Grüne und Linke nicht weit von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt seien, könne man auch ein Parlament mit drei Fraktionen – AfD, CDU und BSW – nicht ausschließen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. „Dann hätte die CDU die Wahl, ob sie mit der neuen Partei von Sahra Wagenknecht oder mit der AfD zusammenarbeitet.“
Nun müssten die Parteien der politischen Mitte im Wahlkampf überlegen, inwieweit sie im jeweils anderen den Hauptkonkurrenten sehen und sich aufeinander einschießen. BSW und AfD brauchten in diesem Fall nicht viel machen und könnten trotzdem ein gutes Ergebnis einfahren, erläutert Träger.
Die AfD hatte die Europawahl im Freistaat Sachsen klar für sich entschieden. Nach dem vorläufigen Ergebnis holte die vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Partei 31,8 Prozent der Stimmen. Die CDU musste sich mit 21,8 Prozent geschlagen geben. Das Bündnis Sahra Wagenknecht kam aus dem Stand auf 12,6 Prozent, dahinter landeten mit einigem Abstand SPD (6,9), Grünen (5,9) und Linke (4,9).
Träger spricht mit Blick auf den Ausgang der Europawahl bundesweit von einem erwartbaren Ergebnis. Man könne bei dieser Wahl immer wieder sehen, dass die jeweiligen Regierungsparteien in unterschiedlichem Maße an Stimmen verlieren. „Es gibt mal ein paar Ausreißer, wo Regierungsparteien sich stabil halten können oder ein wenig dazugewinnen. Aber im Wesentlichen werden Europawahlen auch dazu genutzt, die Regierungen abzustrafen. Das ist kein neues Phänomen.“
Zum AfD-Ergebnis in Ostdeutschland sagte Träger, es gehe es inzwischen nicht mehr um die Frage, ob die AfD bei den Wahlen auf Platz 1 oder 2 komme, sondern wie groß ihr Abstand zu den anderen Parteien sei. Je „ländlicher“ die Region werde, desto besser falle das Ergebnis für die AfD aus. Dort würden sogar bis zur Hälfte der Menschen die Partei wählen. „Das ist in dieser Dimension vielleicht nicht erwartbar gewesen“, sagte Träger.
Lange Zeit war die sächsische CDU die dominierende Kraft in den ländlichen Regionen des Freistaates, erinnerte der Politikwissenschaftler. Auch dort könne sie momentan nicht reüssieren und bekomme mancherorts nur noch die Hälfte der Stimmen der AfD oder nur doppelt so viele wie das BSW als neu gegründete Partei. „Die CDU muss sich fragen, was sie bis zur Landtagswahl noch ändern kann. Die Union kann offensichtlich nicht vom Frust auf die Ampel profitieren – zumindest in Sachsen nicht“, erläuterte Träger.
Seiner Einschätzung zufolge hat das Abschneiden der CDU vor allem mit eigenen Fehlern zu tun und nicht mit einem Abstrafen der Wähler für eine schlechte Politik der Ampel im Bund. Es sei zu simpel, die Bundesregierung für das eigene Wahlergebnis verantwortlich zu machen. „Die CDU ist auch selber daran schuld, dass sie in Sachsen in den Umfragen nicht bei 40 Prozent liegt, sondern nur bei 30 Prozent“, so Träger. Schließlich sei sie seit mehr als 30 Jahren stärkste Kraft im Freistaat gewesen und stelle seither den Ministerpräsidenten.